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Berlin: Die mysteriöse Abstellkammer

Wieder fehlt der Adventskranz im Roten Rathaus. Steckt die CIA dahinter – oder der BND?

Was bisher geschah: Im Roten Rathaus verschwindet jeden Tag der große Adventskranz aus der Eingangshalle. Ein Privatdetektiv wird von seinem alten Kumpel Rainer, einem Beamten der Senatskanzlei, mit der unauffälligen Aufklärung der mysteriösen Angelegenheit beauftragt.

Rainer war immer noch unterwegs, um den Schlüssel für die Abstellkammer zu holen. Natürlich musste ich zuerst diese Abstellkammer untersuchen, vom Tatort waren es nur ungefähr dreißig Meter, für jeden Täter also die erste Anlaufstelle, um sich und den Adventskranz in Sicherheit zu bringen. Mittlerweile waren es schon 13 Kränze, die hier im Foyer des Roten Rathauses verschwunden waren. Große, repräsentative Kränze natürlich, wie es sich für einen Senat der Hauptstadt gehört, mit roten Kerzen in einem Umfang von circa 30 Zentimetern und fast einem Meter hoch und das multipliziert mit vier, ein Kinderstreich konnte das bei dem Gewicht unmöglich sein.

Ich schaute mir den vierzehnten Kranz lange an. Er war beeindruckend und sah genau so aus wie der erste. Rainer hatte mir ein Foto gezeigt, der Bürgermeister hatte sich noch mit Kranz abbilden lassen, zwei Stunden später war er weg, der Kranz, nicht der Bürgermeister. Ich musste lachen, umgekehrt wäre das ja ein viel wahnsinnigerer Auftrag, 13 Bürgermeister verschwunden, jeden Tag einer.

Rainer stand mit dem Schlüssel vor mir. Er schloss auf. Ein paar Besen, ein Industriestaubsauger, drei Eimer, eine Eisenstange. Hinten an einer schwarzen Tür ein vergilbtes Plakat von einer Ausstellung über die Rathausgeschichte ab 1870.

„Keine Kränze", sagte Rainer, „ich muss jetzt ins Büro, morgen kommt die amerikanische Außenministerin nach Berlin, das Auswärtige Amt hat bei uns Akten angefordert, kümmere du dich um die Adventskränze.“

„Kann ich bitte den Schlüssel haben und eine Akte über alle Senatsmitarbeiter?“, sagte ich.

„Bist du wahnsinnig?“, entgegnete Rainer, „ich habe einen Privatschnüffler engagiert und keine Großfahndung, was meinst du, wenn die Presse davon etwas mitbekommt? Du sollst hier möglichst leise die Kiddies schnappen und dann ist Schluss mit lustig.“ Dann eilte er durchs Foyer die Treppe hoch. Rainer hatte keine Ahnung. Das konnten keine Kiddies sein. Vielleicht kann Rainer dem Außenministerium Akten schicken, auf jeden Fall hat er aber nicht das geringste detektivische Gespür. Das haben die meisten Beamten nicht, das habe ich schon gemerkt, als ich noch bei der Polizei arbeitete.

Ich starrte auf den Türrahmen mit den in Kreide geschriebenen Zeichen „C+M+B 05“, so etwas kritzeln auch keine Kiddies auf die Tür, wie Rainer meinte, wenn sie hier ein Adventssingen abhalten müssen. Steht „C“ für CIA? Will die US-Regierung die Akten vom ahnungslosen Rainer, weil vielleicht gar nicht in Afghanistan, sondern in dieser Kammer Al Masri („M“) in 05 ... – schlimme Gedanken –, vielleicht sogar auch vom BND („B“)...?

Gut, meine Vorbehalte gegen die Amerikaner hatten in dieser Geschichte nicht wirklich etwas zu suchen, aber denen ist ja alles zuzutrauen, also musste ich erst einmal alles sondieren und auf Zusammenhänge prüfen, denn auch mit Adventskränzen kann man Islamisten Schlimmes zufügen. Ich ging erst mal zum Kaffeeautomat einen Stock höher. Ich drückte auf den Knopf „Mokka“ und kam mir jetzt vor wie Inspektor Kottan in „Kottan ermittelt“, meiner Lieblingsserie früher, wo immer zuerst der Kaffee kam und dann der Becher. In meinem Kopf begann ich zu rechnen. Der kleinste Adventskranz in „Andy’s und Moni’s Blumenladen“ kostet 49 Euro. Wenn man das hochrechnet zu den Senatskränzen, dann kosten die bestimmt 4900 Euro, als Steuerzahler würde ich grün werden im Gesicht und das dann multipliziert mit bisher 13! Klar, das würde die Berlinseite der „taz“ dem Senat nicht nur der Umwelt zuliebe um die Ohren hauen.

Und was ich auch nicht verstand: Wenn der drei Mal verschwunden ist, dann sagt man doch, okay, wir lassen das jetzt oder nehmen kleinere. Mitnichten! Immer diese riesigen Kränze!

Natürlich musste ich auch diesen Zusammenhang herstellen: Gibt es zwischen den Bestellern und den Dieben einen Zusammenhang? Ich überlegte kurz, ob ich zu Rainer ins Büro gehe und bei „ebay“ im Internet nachsehe, ob es riesige Adventskränze gibt, schließlich hatte ich da auch mein Fahrrad wiedergesehen.

Oder vielleicht ist es immer derselbe Kranz, wo wird er denn gekauft, muss man den vierzehnten jetzt schnell präparieren?

Ich wusste, dass ich im Ermitteln ein seltenes Talent hatte, sonst hätten die mich bei der Polizei nicht rausgemobbt. Als jetzt schließlich zuerst der Mokka kam und danach erst dieser Mistbecher, empfand ich das als eine schöneBestätigung.

Ich ging zurück ins Rathausfoyer und mich traf der Schlag.

Der Adventskranz war weg.

Ich rannte die Treppe runter und raus. Nichts. Ich rannte zurück ins Foyer und dann jeden Seitengang entlang. Nichts. Ich merkte, wie mir der Schweiß langsam den Rücken hinunterlief. Wie lange war ich beim Kaffeeautomat? Zwei Minuten? Ich zog den Schlüssel aus der Hose, schloss die Abstellkammer auf und riss die Tür auf.

Was ich im letzten Moment noch sehen konnte, war unter dem Plakat eine Klinke, die sich bewegte. Dann fiel hinter mir die Tür der Abstellkammer zu und es war dunkel.

Fortsetzung folgt am nächsten Sonntag

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