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Einfach mitbieten. Wer einen der begehrten Holzpfähle erstehen wollte, musste den Nebenbuhler häufig um 1000 Euro überbieten.

© Georg Moritz

Die neuen Stammhalter: Pfähle des Berliner Stadtschlosses versteigert

Für tausende Euro wurden gestern Pfähle des Stadtschlosses versteigert. Was die Besitzer daraus machen? Möbel oder Schmuck.

Sie streicht über das tiefschwarze Eichenholz, betastet kleine Risse, dann umfasst sie den etwa 30 Zentimeter dicken Baumstamm. Der steht im Foyer des „Abba Berlin Hotels“ an der Lietzenburger Straße. Genau solch ein Exemplar will Bianca Traeger am Sonntagvormittag „unbedingt erwerben“. Ein hölzernes Stück Berliner Geschichte, ein Gründungspfahl von tausenden, die einst das Fundament des Berliner Stadtschlosses trugen. Etwa 2000 dieser bis zu 400 Jahre alten Stämme werden bis Dienstag in dem Wilmersdorfer Hotel versteigert. Einige von ihnen stehen gleich am Eingang, um den Bietern den Mund wässrig zu machen, der Rest stapelt sich noch auf einem Lagerplatz in Spandau.

Aber Bianca Träger weiß schon genau, was unter ihren Händen aus dem Holz entstehen soll. Sie will es für ihren Steglitzer Schmuck- und Perlenladen „Asabi“ zu Broschen, Anhängern oder Ohrringen verarbeiten. „Das wird super“, sagt sie. Nun muss sie sich beeilen. Punkt 11 Uhr beginnt eine der ungewöhnlichsten Berliner Auktionen seit langem. 40 Minuten später ist die Frau mit den langen brünetten Haaren Besitzerin von gleich drei gut zwei Meter langen Pfählen. Für 2000 Euro bekommt sie den Zuschlag.

Eberhard Wiedenmann will sein Hotel mit einem besonderen Stück Berlin-Geschichte schmücken.
Eberhard Wiedenmann will sein Hotel mit einem besonderen Stück Berlin-Geschichte schmücken.

© Georg Moritz

Der Andrang ist groß, mehr als hundert Interessenten drängeln pünktlich in den Auktionssaal, wo ein Experte letzte Bedenken zerstreut. „Sie kaufen keinen morschen Kram“, sagt Holzgutachter Peter Schumacher gleich zur Einführung. Man habe etliche Stämme untersucht. Die Bäume seien zwischen 1603 und 1707 geschlagen worden. „Dabei achteten die Altvorderen auf besonders gerade Stämme.“ Die wurden angespitzt und dicht nebeneinander in den teils schlammigen Baugrund gerammt, bis sie in mehreren Metern Tiefe auf festen Boden trafen. Zusätzlich legte man Bohlen darüber, so dass eine tragfähige Bodenplatte entstand, wie sie heute aus Beton gegossen wird.

Designerin Nicole Masseit macht aus dem Antikholz Möbel.
Designerin Nicole Masseit macht aus dem Antikholz Möbel.

© Georg Moritz

Damit eine solche Betonkonstruktion für den Wiederaufbau des Schlosses zum „Humboldtforum“ geschaffen werden kann, wurden im Herbst 2012 die meisten der drei- bis zehn Meter langen Pfähle wie riesige Zahnstocher aus der Erde gezogen. Und Fachleute stellten fest, sie seien „erfreulich gut erhalten“. Da die Stämme komplett im Grundwasser lagen, das in Spreenähe besonders hoch steht, konnten Bakterien und Pilze sie nicht angreifen. „Die hätten noch 100 Jahre gehalten“, sagt Auktionator Hans Peter Plettner, bevor er loslegt. Er versteigert die Pfähle einzeln oder als Lose mit bis zu zehn Stück, jeweils nach Länge sortiert.

Bianca Traeger macht die Eiche klein und formt Schmuck daraus.
Bianca Traeger macht die Eiche klein und formt Schmuck daraus.

© Georg Moritz

Erster Aufruf: Zehn drei Meter lange Eichenstämme für 4760 Euro. Fünf Bieter lassen sich nicht aus den Augen, treiben den Preis hoch, bis Jürgen Lühmann, Holzhändler aus Wandlitz, für 5600 Euro gewinnt. „Es macht mir Spaß, meinen Kunden mal etwas ganz Besonderes anzubieten“, sagt er, zum Beispiel Bildhauern. Schon nach einer Stunde sind 80 Eichenpfähle versteigert. Gastronom Eberhard Wiedenmann (59) will daraus Kunst schaffen lassen für sein historisches Hotel in Leipzig. Eventmanager Harry Schmidt aus Berlin lässt sich Kommoden und dekorative Ablagen anfertigen. Herrlich gemustert und schwarz gefärbt durch die Huminsäuren im Moor sei die Eiche. „Das passt so gut zu meinen alten Gemälden.“

Möbeldesignerin Nicole Masseit will für ihren Laden in Kreuzberg mal etwas „ganz Außergewöhnliches“ entwerfen, während Jürgen Netze aus Ruppin an sein neues Holzhaus denkt. „So ein Deckenbalken aus antiker Eiche“, sagt er und streckt dem Arm fürs nächste Gebot hoch, „das wär’s doch.“ Er bekommt seinen Balken für 750 Euro. 476 Euro war das Mindestgebot. Ab Anfang Mai kann er den Pfahl am Spandauer Lagerplatz abholen. „Lassen Sie das Holz langsam abtrocknen“, rät Forstwirt Schumacher. „Sonst bilden sich Risse, das wäre ja schade.“

Sehen Sie hier ein Video zu der Holzversteigerung:

Die Auktion wird am 22. und 23. April, jeweils ab 11 Uhr, im Abba Hotel, Lietzenburger Straße 89, fortgesetzt.

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