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Studie zu Fremdenfeindlichkeit in Berlin: "Die offene, direkte Ablehnung ist größer geworden"

Eine Studie attestiert einem Viertel der Berliner Fremdenfeindlichkeit. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild.

Für Barbara John (CDU), langjährige Ausländerbeauftragte der Stadt, ist die Botschaft dieser Studie paradox: „Obwohl sich die Lage verbessert hat, hat sich die Stimmung verschlechtert.“ Denn im Vergleich zu den vergangenen Jahren habe sich die Situation am Berliner Arbeitsmarkt entspannt, auch das lange bemängelte Bildungsniveau von Berliner aus Einwandererfamilien habe sich deutlich verbessert. Und dennoch: „Die offene, direkte Ablehnung ist größer geworden.“

So fasst John, die heute unter anderem Landesvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist, am Donnerstag eine Studie des Meinungsforschungsinstitutes Info GmbH zusammen, bei deren Präsentation sie mit auf dem Podium sitzt. „Wie tolerant ist Berlin?“, lautet der Titel, und um die Frage zu beantworten, haben die Meinungsforscher in den vergangenen drei Wochen gut 1000 zufällig ausgewählte Berliner gefragt, was sie vom Zusammenleben zwischen Deutschen, Ausländern und Berlinern mit ausländischen Wurzeln halten. Dabei wurden auch Migranten befragt; einziges Kriterium war, dass die Befragten am Telefon auf Deutsch antworten konnten.

Die schlechte Nachricht der als repräsentativ bewerteten Studie: Jeder vierte Befragte ohne Migrationshintergrund ist „ausdrücklich negativ gegen Ausländer und Migranten eingestellt“ – das sind etwas mehr als im Bundesgebiet, wo dasselbe Institut bei einer früheren Befragung ermittelte, dass 19 Prozent der Befragten so denken. Die gute Nachricht, die der Geschäftsführer der Info GmbH, Holger Liljeberg, an den Anfang seines Fazits stellte: „Insgesamt erweist sich Berlin als eine mehrheitlich tolerante Stadt.“

Schaut man sich die Studie genauer an, fällt das Ergebnis allerdings vielschichtig aus – und es zeigt sich, dass politische Schlüsse auch eine Frage der Interpretation sind. So erklärte Meinungsforscher Liljeberg, dass man die Befragten anhand ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu bestimmten Aussagen in zwei Gruppen aufteilte. Wer Aussagen wie den folgenden eher zuneigte, wurde der Gruppe mit einer negativen Einstellung zugeteilt, deren Größe sich am Schluss auf 26 Prozent der Befragten summierte: „Am liebsten wäre es mir, wenn alle Ausländer aus Deutschland wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren müssten.“ Wer sich solchen Ansichten gegenüber eher abgeneigt zeigte, wurde der letztlich 74 Prozent großen Gruppe mit einer positiven Einstellung gegenüber Einwanderern zugeteilt. Schaut man sich allerdings genauer an, wer der einen genannten These tendenziell eher zustimmt, sind dies statt 26 gerade noch 7 Prozent. 80 Prozent lehnten sie ab, die verbleibenden 13 Prozent der Befragten waren unentschieden. Dass dennoch der erfasste Anteil der fremdenfeindlichen Einstellungen ein Viertel ausmacht, begründen die Meinungsforscher damit, dass sie die Antworten auf bestimmte, als fremdenfeindlich eingeschätzte Aussagen zusammengefasst haben, ohne dass wirklich ein Viertel allen Aussagen zustimmen musste. Institutsleiter Liljeberg sprach hier von einer „statistischen Wolke“.

Diesen Einschränkungen zum Trotz enthält die Studie des Instituts, das seit 20 Jahren in der Meinungsforschung tätig ist, bemerkenswerte Erkenntnisse. So gibt es enorme Unterschiede nach Alter, Bildungsstand und Wohnort der Befragten. Ältere Berliner mit einer deutlich schlechteren Schulbildung und niedrigeren Einkommen tendieren eher zu negativen Ansichten. Am stärksten sind der Studie zufolge negative Einstellungen gegenüber Migranten bei Berlinern ohne Migrationshintergrund in Marzahn-Hellersdorf (48 Prozent), Treptow-Köpenick (39 Prozent) und Spandau (30 Prozent). Am geringsten finden sich solche Einstellungen in Friedrichshain-Kreuzberg (18 Prozent), Tempelhof-Schöneberg (16 Prozent) und Mitte (15). Gerade in Bezirken, wo weniger Migranten wohnen, ist also die Ablehnung besonders groß – für Barbara John ein Grund, mehr Aufklärung und Begegnungsmöglichkeiten zu fordern. Ihr Parteifreund Burkard Dregger hingegen, der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zieht ein anderes Fazit. „Die Politik muss sich fragen, ob sie die Sorgen der Menschen vor einer Veränderung der Gesellschaft und ihrer Grundwerte ausreichend berücksichtigt hat“, sagt er dem Tagesspiegel. Statt der Kritik an den ermittelten Einstellungen müsse die Politik „den Menschen ihre Überfremdungsängste nehmen“.

Bemerkenswert ist auch die unterschiedliche Ablehnung, die Einwanderern je nach Herkunftsland entgegenschlägt. So sagten zwei Drittel der Befragten, sie fänden es angenehm, Italiener, Griechen oder Vietnamesen in ihrer Nachbarschaft zu haben. Zuwanderer aus arabischen Ländern und Russland hingegen empfindet lediglich eine knappe Mehrheit der Befragten als angenehm.

Bei der Bewertung bisheriger Integrationsbemühungen von Einwanderern decken sich übrigens die Meinungen derjenigen, die Migranten gegenüber negativ eingestellt sind, mit denen, die nicht fremdenfeindlich denken: Vier von fünf Befragten finden, dass Migranten sich aktiver integrieren sollen – und in diesem Punkt sind sich Befragte mit und ohne Migrationshintergrund absolut einig.

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