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Berlin: Die Partei und die Party

Und er half: Wie Peter Strieder sich für das Tempodrom einsetzte – eine West-Berliner Mentalitätsgeschichte

Von Matthias Oloew

und Dagmar Rosenfeld

Die Geschichte des Tempodroms, einst Liebling der alternativen Kulturszene, ist zu einer Geschichte über das Fortbestehen der alten West-Berliner Mentalität geworden. Eine Geschichte über Filz und Gefälligkeiten. Mittendrin Peter Strieder, der nach dem Berliner Bankenskandal so gerne zur Symbolfigur des Neuanfangs geworden wäre. Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn und auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit seiner Rolle beim Tempodrom-Bau. Wenige Stunden nach Strieders Rücktritt, teilte dann der Vorstand der Stiftung Neues Tempodrom mit, dass für das Kulturhaus Insolvenzantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gestellt worden sei.

Dabei hatte alles so viel versprechend angefangen, für Strieder und für das Tempodrom. Die ehemalige Krankenschwester Irene Moessinger hatte aus dem Zirkuszelt eine Berliner Kulturinstitution gemacht. Als sie Mitte der 90er für ihr Tempodrom ein neues Domizil benötigte, weil sie in der Nachbarschaft des Kanzleramts nicht mehr gewollt war, suchte sie Unterstützter – und fand Peter Strieder, damals Bürgermeister in Kreuzberg. Er verhalf dem Tempodrom zu einem neuen Zuhause am Anhalter Bahnhof. Später, als er Umweltsenator war, machte er sich für EU-Fördergelder für den Tempodrom-Bau stark. Ein Bau, der zu einem finanziellen Fiasko werden sollte. Als die Bagger vor vier Jahren die Baugrube aushoben, sollte das neue Tempodrom 22,7 Millionen kosten. 2001, gut ein Jahr nach Baubeginn, war klar: Das Geld reichte nicht. Moessinger und der ehemalige Unternehmer und Tempodrom-Förderer Roland Specker baten schließlich Strieder um Hilfe. Und er half.

Der rot-grüne Übergangssenat bewilligte im Oktober 2001 für den überschuldeten Bau 6,9 Millionen Euro, davon 3,1 Millionen aus den Kassen der landeseigenen Investitionsbank (IBB), die als Sponsor das Geld zur Verfügung stellen sollte. Ein Jahr später zahlte die IBB erneut 1,7 Millionen Euro an das Tempodrom. Wieder über eine Sponsoringvereinbarung, wieder unter Federführung Strieders, wieder ohne Rücksprache mit dem Abgeordnetenhaus. Nachdem der Rechnungshof dieses Sponsoring als rechtswidrig bewertete, erstattete die CDU im November 2003 Strafanzeige gegen Strieder. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln und es wurde still ums Tempodrom.

Dann berichtete der Tagesspiegel über ein Sponsoring des Tempodrom-Förderers Roland Specker für die SPD. Er spendierte der Partei für ihre Wahlparty das Catering im VIP-Bereich. Die Party mit den gesponsorten Schnittchen von Herrn Specker fand am 21. Oktober 2001 statt. Pikant, dass wenige Tage zuvor der Senat unter Federführung Strieders Millionen zur Rettung des Tempodroms bewilligt hatte. Noch pikanter, dass die Berliner SPD nach den Tagesspiegel-Berichten eingestehen musste, das Sponsoring nicht korrekt verbucht zu haben. Strieder kann sich bis heute nicht erinnern, wie das Sponsoring zustande kam. Das versucht nun die Staatsanwaltschaft herauszufinden, denn die hat ihre Untersuchungen ausgeweitet. Wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und -gewährung wird gegen Strieder und Specker ermittelt. Beide bestreiten einen Zusammenhang zwischen Tempodrom-Entscheidung und Sponsoring. Klar ist mittlerweile, dass Specker mehr als einmal die SPD bei Speis und Trank unterstützte. So organisierte er laut „Spiegel-online“ ein Essen im Hotel Palace. Zu dem Dinner „Unternehmer für Klaus Wowereit“, das von den Berliner Wasserwerken gezahlt wurde, kamen hochkarätige Manager wie Bahnchef Hartmut Mehdorn. Jeder von ihnen spendete 5000 Mark an die SPD.

Die Verbindung zwischen Specker und Strieder ist nur ein Teil der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen. Die Ermittler prüfen auch die gesamte Finanzierung des Tempodroms. Sie vermuten, dass unter „dem Deckmantel“ einer privaten Stiftung ein öffentliches Bauvorhaben errichtet worden ist. Schließlich sei das rund 32 Millionen Euro teure Gebäude zu fast 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert worden. Rund fünf Millionen Euro kamen zum Beispiel aus dem EU-Umweltförderprogramm. Die Grünen haben nun Hinweise, dass die eingebaute Technik im Tempodrom nicht den Förderrichtlinien entspricht. Strieders Behörde, die für das Baucontrolling zuständig war, habe versagt, so Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger. Zu einer derart allgemeinen Anschuldigung könne man keine Stellungnahme abgeben, hieß es bei der Bauverwaltung dazu. Sollte sich jedoch der Verdacht der Grünen bestätigen, müssten die EU-Gelder zurückgezahlt werden – und das ginge zu Lasten der Steuerzahler. Wie die Landesbürgschaft für den Tempodrom-Baukredit. Die wird nun fällig, wo die Insolvenz beschlossene Sache ist.

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