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Berliner Nachtleben: Die Politik entdeckt die Clubs

Die Stadt schmückt sich gern mit ihrer vielfältigen Musikszene – doch an Unterstützung mangelt es oft. Rot-Schwarz will das ändern und den Kreativen besser helfen. Was halten diese von den Plänen?

Wenn sich die Lichterketten in den Bäumen abends im Wasser spiegelten, wurde es romantisch. Dann saßen die Gäste auf der Ufermauer, ließen die Beine über der Spree baumeln und genossen „Kiki Blofeld“ an der Köpenicker Straße, eine der beliebtesten Strandbars Berlins. Doch Mitte September schloss das Kiki endgültig, es musste geplanten Wohnhäusern weichen. Ein weiterer Verlust in der seit einiger Zeit arg gebeutelten Club- und Musikszene der Stadt. Zugleich ist deren jüngere Geschichte aber auch eine beispiellose Erfolgsstory, weshalb die Lobby der Event- und Musikkreativen inzwischen selbstbewusster denn je von der Politik mehr Respekt und Unterstützung anfordert. Eines ihrer Ziele scheint nun erreicht zu sein: Die neue rot-schwarze Koalition will ein „Musik-Board Berlin“ einrichten – als „zentraler Ansprechpartner für Belange der Szene“.

Die mehr als 250 Clubs der Stadt bringen die Werber der „Berlin Tourismus Marketing GmbH“ in beste Laune. „Die sind einzigartig vielfältig und ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor“, heißt es. Berlin habe heute eine der größten Clubszenen weltweit, auch deshalb steht es im internationalen Ranking der beliebtesten Reiseziele junger Leute ganz oben. Jeder zweite Berlinbesucher ist unter 30 Jahre alt, eine gute Milliarde Euro soll die Berliner Musikbranche bei Live-Events, Festivals und in Clubs im Jahr umsetzen.

„Einerseits wirbt und profiliert sich die Stadt mit uns – andererseits werden immer mehr Clubs plattgemacht“, ärgern sich viele Betreiber seit längerem. Deshalb begrüßt Lutz Leichsemring von der Clubcommission, einem Zusammenschluss von mehr als 100 meist kleineren Clubs und Spielstätten, den rot- schwarzen Beschluss „außerordentlich“. Nun hofft er „auf bessere Rahmenbedingungen.“ Welche Probleme die Szene hat und welche Hilfen sie fordert, das haben ihre Akteure unter anderem im „Konzept 2020 Berlin“ zusammengetragen.

Eine der Hauptsorgen ist die „Kapitalisierung des Quadratmeters“ wie Steffen Hack vom „Watergate“ in Kreuzberg sagt. Reizvolle bisherige Clubflächen werden an Investoren verkauft, die alternativen Treffs werden verdrängt wie beispielsweise das „Kiki Blofeld“ oder „Maria am Ostbahnhof“ entlang der Mediaspree in Friedrichshain-Kreuzberg. Im Hinblick auf eine spätere gewinnbringendere Nutzung bekommen Clubs auch häufig keine langfristigen Mietverträge, gelten eher als Zwischennutzung – und können dadurch nur schwer auf lange Sicht planen. Eine der wichtigsten Forderungen der Szene heißt deshalb: Land und Bezirke sollen attraktive Areale wie am Spreeufer gezielt für die Kreativen frei halten und diesen günstige „Kulturmieten“ anbieten. „Man muss solche Flächen aus dem Verwertungsmechanismus des Marktes herausnehmen“, sagt Watergate-Chef Hack.

Immer häufiger scheitern Clubs auch am Lärmschutz. Besonders in Mitte und Prenzlauer Berg rufen neu zugezogene Anwohner die Polizei, klagen über Musiklärm – und bekommen recht. Der Knaack-Club an der Greifswalder Straße musste deshalb Ende 2010 schließen, das Kulturprojekt „Schokoladen“ an der Ackerstraße verlor eine Menge Gäste, seit es schon um 22 Uhr dicht machen muss, und auch die Kulturbrauerei hat Lärmkonflikte. Wunsch der Szene: Wenn ein Neubau direkt neben einem Club errichtet wird, sollten die Bauherren und nicht der Club den eventuell nötigen teuren Lärmschutz bezahlen.

Dritter Punkt auf der Sorgenliste ist das Ansinnen der Finanzbehörden, den Clubs die Steuervorteile abzuerkennen. Wie berichtet, sollen sie in Zukunft vom Eintritt nicht mehr sieben, sondern 19 Prozent abführen. Und schließlich fordern Betreiber, man müsse einfacher an Förderkredite- und Programme herankommen.

Vorbild für das nun angestrebte Musikboard ist das Medienboard Berlin-Brandenburg, das Filmschaffende vielfältig unterstützt – von der Suche nach Drehkulissen in der Stadt bis zur Vermittlung von Fördermitteln. Das Musikboard, heißt es bei der SPD, werde in der Senatskanzlei angesiedelt „unter Beteiligung der Branche“. Es sei „ein Bekenntnis zur Musikstadt Berlin“ und solle neben den Clubs die gesamte Branche bis zu Labels und Musikproduzenten unterstützen. Wie dieses Bekenntnis allerdings konkret ausgestaltet werden soll, welche Finanztöpfe, Rechtshilfen bei Lärmkonflikten oder Handreichungen bei der Suche nach sicheren Standorten möglich sind, ist „noch offen“, sagt Sven Kohlmeier, SPD-Vertreter in der Facharbeitsgruppe „Medien/Kultur“ für die Koalitionsverhandlungen. Er äußert sich vorsichtig. „Wir wollen nicht mehr Erwartungen wecken, als später zu leisten sind.“

Doch auch in der Clubszene ist noch umstritten, in welchem Ausmaß man Hilfe beanspruchen will. Unabhängigkeit wird großgeschrieben. Man scheut die Abhängigkeit von der Politik. „Das wäre imageschädigend“, ist an den Tresen zu hören. „Wir müssen die richtige Balance finden – aber auf jeden Fall die Existenz der Clubs durch ein günstiges Umfeld absichern.“

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