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Berlin: Die Seniorenresidenz

Berlin, die junge Stadt? Das Durchschnittsalter steigt und weniger Kinder werden geboren Der Senat reagiert: Fördert Wohnprojekte, verbessert die Pflege – und denkt an neue Konsumenten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Alt werden ist keine Krankheit. Trotzdem kann man Einiges dafür tun, die unangenehmen Begleiterscheinungen des Alterns mit jugendlichem Schwung zu mildern. Das gilt auch für die Städte, in denen die Menschen wohnen, die älter werden. Jeder sechste Berliner hat das Rentenalter überschritten. Darauf müssen sich Politik und Wirtschaft, Touristikunternehmen und Kulturinstitutionen, Sportvereine und Krankenhäuser, Medien und Verkehrsunternehmen einrichten. Überall in Berlin macht sich der demografische Wandel bemerkbar.

Wie reagiert der Senat? Bisher gibt es kein zusammenhängendes Konzept, aber einige Schwerpunkte sind erkennbar. Dazu gehört das „Wohnen im Alter“ – und zwar außerhalb von Senioren- und Pflegeheimen. Es gibt bislang einige Vorzeigeprojekte. Zum Beispiel haben die städtischen Wohnungsunternehmen Degewo und „Stadt und Land“ altersgerechte Wohnungen mit dem passendenDienstleistungsangebot gekoppelt. Das nennt sich „Sophia“ (Soziale Personenbetreuung – Hilfen im Alltag).

In Kreuzberg wiederum entsteht ein Mehrgenerationenhaus. Viele Initiativen für das Wohnen im Alter haben sich inzwischen in einem Netzwerk zusammengeschlossen. Es macht Sinn, die Ressourcen zu bündeln, denn der altersgerechte Umbau von Häusern und Wohnungen ist teuer.

Zum Senatskonzept gehört auch ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, der nicht zuletzt den Langzeitarbeitslosen über 55 Jahre helfen soll, die auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance haben. Das Ziel: Bis 2010 soll die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen auf über 50 Prozent steigen.

Stärker als bisher soll die Altenhilfe und Pflege für Migranten geöffnet werden, die in jungen Jahren nach Deutschland kamen und jetzt alt und pflegebedürftig, aber oft noch immer schlecht integriert sind. Etwa 28 000 Berliner über 65 Jahren stammen aus anderen Ländern. Im Jahr 2020 werden es schon mehr als 60 000 sein.

Auch wenn es das Ziel ist, dass alte Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen können: Die stationäre Pflege wird auf absehbare Zeit nicht überflüssig. Seit kurzem gibt es in Berlin einen Landespflegeausschuss und einen Runden Tisch Pflegequalität. Für die Langzeitpflege stehen in Berlin momentan 30 000 Plätze in 272 Heimen zur Verfügung. Das deckt den Bedarf bis 2010.

Ob es tatsächlich stimmt, dass Berlin die „Hauptstadt der Pflegenetzwerke“ ist, wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit behauptet, sei dahingestellt. Aber um den Titel kann man sich trotzdem bemühen. Für die boomende Gesundheitswirtschaft in Berlin eröffnet der Bereich Pflege und soziale Dienstleistungen jedenfalls große Potenziale.

Die Berliner Hochschulen könnten dies unterstützen. Neue Lehrstühle für die Altersforschung sind bereits in Planung.

Auch volkswirtschaftlich macht es Sinn, wenn sich Berlin nicht nur für junge Familien und karrierebewusste Singles hübsch macht, um sie in die Stadt zu locken. Denn die höchste Konsumquote weisen – laut bundesweiter Statistik – Menschen zwischen 65 und 80 Jahre auf. Außerdem sind viele Senioren sehr reisefreudig. Der Runde Tisch Tourismus will darüber beraten, wie sich Berlin auf diese Entwicklung einstellen kann.

Mobilität im Alter ist auch ein innerstädtisches Thema. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie und der Technischen Universität hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zwei Konferenzen zum „demographischen Wandel und Verkehrsplanung“ organisiert. Die Partnerstädte Berlins waren ebenfalls eingeladen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie sich alte Menschen in großen Städten beweglich halten können.

Der demografische Wandel ist offensichtlich nicht mehr zu ignorieren. Genauso wenig wie der Klimawandel. Das Durchschnittsalter der Berliner wird bis 2020 auf 44 Jahre steigen. Die Kinder werden knapp, auf lange Sicht auch bei den Migranten. Die Zahl der Familien mit Kindern schrumpft unaufhörlich.

Seit 2003 gibt es in Berlin mehr Single- als Mehrpersonenhaushalte. Und die Wirtschaft sorgt sich um den künftigen Mangel an jungen Facharbeitern, denn die Zahl der Erwerbstätigen unter 25 Jahre wird in den nächsten 15 Jahren von knapp 300 000 auf 244 000 sinken.

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