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Berlin: Die SPD läßt den Mann mit dem roten Schal im Regen stehen

BERLIN .In der SPD hängt mehr als der Haussegen schief.

BERLIN .In der SPD hängt mehr als der Haussegen schief.Fünfeinhalb Monate vor der Wahl am 10.Oktober ist die Partei, die stärkste Fraktion werden und einen rot-grünen Senat bilden will, im Netz ihrer Pannen und Diskussionen verfangen.Während sich die CDU siegesgewiß gibt, wird der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper von der Partei allein gelassen.Im Landesvorstand kassierte er am Montagabend erneut eine Niederlage.

Während der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Fraktionschef Klaus Landowsky die CDU programmatisch im Griff haben, rebelliert die SPD-Basis gegen ihre Führungsquadriga, zu der sich Spitzenkandidat Walter Momper und Senator Peter Strieder als Parteichef erst im Januar mit Fraktionschef Klaus Böger und Finanzsenatoirin Annette Fugmann-Heesing verbündet hatten.Die SPD redet in Endlosdebatten über Haushaltskonsolidierung, den Verkauf von zwei Wohnungsbaugesellschaften und die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten.Dahinter steckt der Dauerstreit um die richtige Richtung: Mehr Innovation und Modernisierung oder mehr soziale Gerechtigkeit? Der Spitzenkandidat müsse "stärker herausgestellt werden", hieß es noch vor einer Woche aus dem Landesvorstand.Tatsächlich verrauschen Mompers öffentliche Auftritte, und die Basis will längst nicht wie er.

Hinter vorgehaltener Hand wird geraunt, Frau Fugmann-Heesing instrumentalisiere die Führungsquadriga für die Haushaltskonsolidierung.Am Montag im SPD-Landesvorstand, wo es zeitweilig lautstark zuging, meinte die Abgeordnete Gerlinde Schermer provokativ, wenn sich die Finanzsenatorin nicht durchsetzen könne, müsse sie zurücktreten.Es gibt keine Mehrheit für den Totalverkauf von zwei Wohnungsbaugesellschaften, wie sie die Quadriga verlangt hat.Aber ein Kompromiß zeichnete sich ab, von dem man hofft, daß ihn der Landesausschuß nächsten Montag absegnet: Verkauf von 74,9 Prozent nach dem Muster des Gehag-Verkaufs.Damit behalte das Land Berlin die Sperrminorität und den Einfluß auf die Wohnungswirtschaft zugunsten der Mieter.Bis zur Sitzung des Landesausschusses werden wohl noch einige informelle "Gespräche geführt", wie der stellvertretende Landes- und Fraktionschef Hermann Borghorst sagt.

Momper hat den Kompromiß am Horizont umgehend als "Durchbruch" verkauft: "Wir haben uns durchgesetzt, wenn auch nicht hundertprozentig.Das ist doch keine Demontage".Es gehe um die Deckung des Landeshaushalts 1999, dafür werden 2,5 Milliarden Mark gebraucht."Die sind mit ihrem Vorschlag entgegen allen Warnungen an die Öffentlichkeit gegangen.Jetzt wollen wir sie nicht im Regen stehenlassen, aber dann müssen sie auch unter den Schirm kommen", meint Matthias Linnekugel, Mitglied im Landesvorstand über die Quadriga.Auch die Vorschläge von Borghorst werden in den Kompromiß aufgenommen: vorzeitige Ablösung von Wohnungsbaudarlehen für Sozialwohnungen, Verkauf von Wohnungen an Genossenschaften, Verkauf der 12 000 bezirkseigenen Wohnungen an die Gesellschaften, die diese schon seit Ende der achtziger Jahre verwalten.Die Umsetzung der Borghorstschen Vorschläge dauert aber lange und bringt höchstens 1,5 der benötigten 2,5 Milliarden Mark.

Auch die Bundesratsinitiative in Sachen Verlängerung der Ladenöffnungszeiten steht noch in den Sternen.Kann sein, daß der Landesausschuß die Quadriga-Linie - Öffnungszeiten bis 22 Uhr, sonntags Ruhetag - absegnet, aber dann nicht ohne die Forderung nach verbessertem Arbeitnehmer-Schutz, meint Jurist Linnekugel.

Momper gibt sich dennoch optimistisch: "Man muß Nerven haben.Unsere Umfragewerte werden in dem Maße steigen, wie die SPD ihre Positionen klärt.In der Schulpolitik war das auch schwierig und ist gelungen."

Flop 1: Wahlaussage

Mit ihrer Koalitionsaussage wackelt die SPD.Einen formellen Parteitagsbeschluß soll es nicht geben.Das Ziel bleibt zwar Rot-Grün ohne direkte oder indirekte Beteiligung der PDS, aber unter dem Eindruck der Demoskopie haben Walter Momper, Peter Strieder und Klaus Böger in der Osterpause klargestellt, daß es bei der Großen Koalition bleibe, wenn es für Rot-Grün nicht reicht.Das wird von Teilen der Basis als "wenig motivierend" kritisiert.Man dürfe nicht die Fortsetzung der Großen Koalition als "Nebenziel" verkaufen.

Flop 2: Finanzen

Schon vor der Osterpause begann die Basis gegen den Plan der Führungsquadriga zu rebellieren, zwei Wohnungsbaugesellschaften zu privatisieren, obwohl ein Parteitagsbeschluß von 1997 den Verkauf von höchstens 49,9 Prozent der Landesanteile vorsieht.Seit der dramatischen Landesvorstandssitzung am Montag zeichnet sich ein Kompromiß ab, dem die Fraktion am Dienstag Beifall zollte: Verkauf von 74,9 Prozent der Landesanteile, sofern Alternativen für die nötigen Einnahmen zum Landeshaushalt 1999 nicht reichen.

Flop 3: Ladenschluß

Das Plädoyer der Führungsquadriga für Ladenöffnungszeiten bis 22 Uhr außer sonntags als Ruhetag stößt in der Basis auf Vorbehalte.Derzeit ist unklar, ob die SPD einen Senatsbeschluß für eine Bundesratsinitiative zum Ladenschlußgesetz mitmacht.Teile der SPD wollen mit Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler einen Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der letzten Liberalisierung von 1996 abwarten.Die CDU-Linie - Öffnungszeiten rund um die Uhr außer sonntags - wird sowieso abgelehnt.

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