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Berlin: Die Stadt, der Müll und das Vorurteil

Sind Bezirke mit vielen Ausländern schmutziger?

Sehen Straßen mit hohem Ausländeranteil weniger gepflegt aus? Die bündnisgrüne Abgeordnete Felicitas Kubala aus Prenzlauer Berg hatte am Montag angesichts der aktuellen Müll-Diskussion erklärt, die multikulturelle Vielfalt der Stadt bringe es mit sich, dass „nicht alles sauber und geleckt“ aussehe. Sie stieß in ihrer Fraktion auf fragende Gesichter. Eine missverständliche Formulierung, wie sie gestern auf Anfrage mitteilte.

Sie habe nicht die Vielfalt der Nationalitäten gemeint, sondern die unterschiedlichen Lebensweisen aller Stadtbewohner, ganz allgemein. In Berlin, wo jeder nach seiner Fasson leben könne, gebe es eben auch Gebiete, in denen sich mehr Menschen auf der Straße aufhielten, beispielsweise auch viele junge Leute. Wo die Straße mehr als öffentlicher Lebensraum empfunden werde, könne auch mehr Müll anfallen. Das habe mit hohem Ausländeranteil überhaupt nichts zu tun.

Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) aus Mitte sagte, den Begriff „multikulturell“ mit Müll in Verbindung zu bringen, sei „Quatsch“. Es gehe nur darum, wie bestimmte Bevölkerungsgruppen mit dem Thema umgingen. Zeller wies auf eine Untersuchung des Instituts für Türkeistudien über Migrantengruppen und ihr Umweltbewusstsein hin. Demnach sei es „nicht so hoch entwickelt wie wünschenswert“. Man dürfe aber nicht pauschal urteilen, auch die deutsche Bevölkerung könne mehr Umweltbewusstsein vertragen. Sabine Thümler von der Berliner Stadtreinigung sagte, sie könne Unterschiede nicht bestätigen. Unabhängig von Nationalitäten seien „stark frequentierte Lagen“ wie Flanierstraßen mit Cafés oder Straßen mit Schulen besonders müllanfällig. Genaue Zahlen, wie viel normaler Müll täglich auf den Straßen herumliegt, gibt es nicht.

Hundehäufchen werden dagegen genauer ermittelt. Nach Angaben der BSR sind es täglich 500 000 Häufchen, die sich auf bis zu 60 Tonnen hochrechnen lassen. Dem Augenschein nach liegen die meisten in Innenstadtbezirken wie Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg. Dass die Berliner klagen, in einer dreckigen Stadt zu leben, hat nicht nur mit dem Müll auf den Straßen zu tun, sagt Karl Hennig. Er meint, dass auch Schmierereien an Wänden, Brücken, Bahnanlagen, Denkmälern und der Vandalismus in Parkanlagen als Verwahrlosung empfunden werden.

Am Dienstag säuberte sein Verein „Nofitti“ die 2000. beschmierte Parkbank. Nicht etwa in der Hasenheide oder am Görlitzer Park, sondern im Dahlemer Thielpark. Dies sei auch ein Indiz dafür, „dass Graffiti-Vandalismus jeden Stadtteil erfasst“, sagte Hennig. Der Verein hat Patenschaften auch für Spielplätze und Denkmäler übernommen, etwa am Großen Stern, wo es deutlich weniger Schmierereien gibt, seitdem dort schnellstens wieder Graffiti beseitigt wird, wie in Skandinavien üblich.

Hennig fordert für Berlin, wie berichtete, einen „Runden Tisch“, um Graffiti zu beseitigen. Ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Wirtschaft und Bürgerinitiativen sei erforderlich. Spätestens bis zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft Anfang 2007 müsse das Erscheinungsbild Berlins „sichtbar sauber“ sein. Es sollte einen Grundkonsens der Null-Toleranz geben. Die jahrelange „Verstehens- und Duldungskultur“ gegenüber Sprayer-Vandalismus werde von der Szene als Schwäche der Gesellschaftverstanden.

Christian van Lessen

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