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Berlin: Die Stadt, der Müll und die Not

Eine Million Tonnen Hausmüll fallen jährlich in Berlin an. Weil die Entsorgung stockt, landet viel auf Deponien – anders als geplant

Während über die vorzeitige Ablösung des Chefs der Berliner Stadtreinigung (BSR) Gerhard Gamperl spekuliert wird, steuert die Region auf den Müllnotstand zu. Denn entgegen der gesetzlichen Vorschriften kann Berlin seinen Hausmüll nicht ordnungsgemäß entsorgen. Deshalb mussten bei einer gemeinsamen Tochterfirma der Länder Berlin und Brandenburg drei „Notfallzwischenlager“ im Umland errichtet werden. Das vorerst letzte davon wurde im Januar genehmigt. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es zwar: „Die Zwischenlager sind gesetzlich zulässig“. Umgangen wird durch die Sonderregelung aber ein Gesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist. Danach ist die Ablagerung von unbehandeltem Abfall in ganz Deutschland verboten.

Notwendig ist die Sonderregelung, weil derzeit nur die Hälfte des Berliner Hausmülls, rund 500 000 Tonnen im Jahr, in der einzigen Müllverbrennungsanlage der Berliner Stadtreinigung (BSR) entsorgt werden kann. Ein Teil vom Rest wird deshalb immer noch auf die Brandenburger Halden gekippt. Übergangsweise, sagen die Verantwortlichen. Doch was „übergangsweise“ heißt, ist mehr als unsicher. Denn wann das Land Berlin seinen Abfall ordnungsgemäß entsorgen kann, weiß so genau niemand.

Zwar will das Entsorgungsunternehmen Alba jährlich rund 290 000 Tonnen Berliner Abfall in zwei neuartigen Anlagen verwerten. Doch diese funktionieren bisher nicht richtig. Eine ist noch gar nicht in Betrieb, „planmäßig“ heißt es bei Alba. Die andere läuft nicht rund. Ein Betrieb unter Volllast ist Alba zufolge erst ab dem 21. August geplant. Experten bezweifeln jedoch, dass die technischen Probleme dann gelöst sein werden.

„Die Lage ist bedenklich, denn jeden Tag entsteht neuer Abfall, der nicht entsorgt werden kann“, sagt Felicitas Kubala. Die Grünen-Politikerin hatte bereits im August 2005 eine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus zu dem Thema gestellt. Dabei kam heraus, dass drei Brände eine der zwei neuen Anlagen von Alba teilweise stark zerstört hatten. Sogar die Feuerwehr musste anrücken, um die Flammen zu löschen. Die so nicht geplanten Unterbrechungen des Betriebs zwingen Alba auf einen „Ausfallverbund“ zurückzugreifen.

Mit dabei ist die Meab: Die Märkische Entsorgungsanlagen Betriebsgesellschaft gehört Berlin und Brandenburg je zur Hälfte. Die Meab verpflichtete sich gegenüber der Alba zur Abnahme von jährlich 130 000 Tonnen Müll. Weil die Meab nun aber mehr Müll bekommt, als sie verarbeiten kann, landet immer mehr davon auf „Notfallzwischenlagern“.

Der ehemalige Alba-Vorstand und heutige Meab-Chef Dirk Uwe Michaelis räumt ein, dass die „Übergangslösungen für Berlin und Brandenburg“ ihn dazu zwingen, seine Anlagen mit einer Leistung von „120 Prozent“ zu fahren. Doch auch das genügt offenbar nicht. Deshalb werden immer mehr Flächen für neue „Notfallzwischenlager“ geplant und genehmigt: die erste im Mai 2005, zwei weitere im August und die vorerst letzte im Januar. Inzwischen ist dort Platz für über 50 000 Tonnen Hausmüll.

Die Lage bei der Meab wird am 27. April das Abgeordnetenhaus beschäftigen. Im Ausschuss „Beteiligungsmanagement und Controlling“ will der Grünen-Parlamentarier Jochen Esser vom Senat wissen: „Trägt die Meab oder Alba den finanziellen Nachteil dieser Notlage?“

Trotz Meab-Hilfe muss Alba Müll tonnenweise quer durch das Land karren: Zu Entsorgern im sächsischen Lauta und sachsen-anhaltinischen Stendal und zu sieben anderen von Rostock bis Salzgitter. Nach Angaben von Experten des Umweltverbandes „BUND“ ist nun genau der Zustand wieder hergestellt, den die umweltfreundliche Gesetzgebung seit Juni 2005 verboten hat: „Müll wird unbehandelt auf Deponien gelagert“, sagt Michael Dahlhaus. Die Folgen: Giftige Gase entweichen in die Luft und giftige Feuchtigkeit dringt in den Boden ein, wenn dieser nicht eigens zuvor abgedichtet wurde. Dies wird bei der Meab dementiert: Der unbehandelte Abfall lande auf „basisgedichteten“ Deponieabschnitten. Folien und lehmiger Boden verhinderten die Einsickerung giftiger Flüssigkeit ins Grundwasser. Schaden nimmt die Umwelt aber dennoch: durch die Methangase, die aus den unbehandelten Müllbergen ausdünsten.

Im Brandenburger Umweltministerium wird die Genehmigung der Notfallzwischenlager so erklärt: „Die Lagerung ist nach Bundesemissions- und Abfallgesetz zulässig, es handelt sich ja um eine Zwischenlösung“, sagt Ulrich Stock, zuständig für die Genehmigungsverfahren beim Landesumweltamt Brandenburg.

Wie gefährlich aber die Lagerung vom Müll sein kann, hat der Brand in einer Deponie in Bernau im September vergangenen Jahres gezeigt. Den bekam die Feuerwehr eine ganze Nacht lang nicht in den Griff. Und dabei entstanden gefährliche Stoffe wie Dioxin. Die Meab darf auf ihren Notfalldeponien rund 58 000 Kubikmeter Ersatzbrennstoffe lagern.

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