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Berlin: Die Sushi-Connection

Der Architekt Helge Jäger hat den ersten Berliner Architektur-Comic-Thriller verfasst. Darin rechnet er mit den Bausünden der 90er ab

So hat man Berlins architektonische Wahrzeichen noch nicht gesehen. Das Brandenburger Tor erweitert um einen futuristischen Unterbau aus Stahl und Glas. Der Gendarmenmarkt mit einem gigantischen Einkaufszentrum, das die Türme der beiden Dome überragt. Die Siegessäule umgebaut zur schicken Sushi-Bar. Und inmitten des historischen Stadtzentrums reckt sich auf dem Schlossplatz ein gigantischer Wolkenkratzer in den Himmel, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem erigierten Penis hat. In dieser Kulisse hat der Berliner Architekt und Comic-Zeichner Helge Jäger seinen satirischen Architektur-Comic-Thriller „Ito-San und die Sushi-Fritzen“ angesiedelt.

Das kürzlich veröffentlichte Buch ist eine überspitzte Abrechnung mit der Berliner Architektur-Szene. Verpackt hat der 38-jährige Jäger das Ganze in eine Krimihandlung, in dem japanische Baukonzerne die Stadt okkupieren und vor kriminellen Methoden nicht zurückschrecken. Eitle Stararchitekten, japanische Baukonzerne und provinzielle Denkmalpfleger kriegen ihr Fett weg.

Für Helge Jäger ist das Buch auch eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte, erzählt er beim Ortstermin auf dem Schlossplatz. Bis vor einigen Jahren hat er als Architekt gearbeitet, unter anderem als Hilfsbauleiter für den drittgrößten japanischen Bauunternehmer, den Takenaka-Konzern. Als der Bauboom der 90er zu Ende ging, blieben die Aufträge aus. Sein Geld verdiente Jäger immer seltener als Architekt und immer mehr durch einen kleinen Laden mit Postkarten und Geschenkartikeln, den er in der Oranienburger Straße betreibt. Daneben nutzte er die Flaute als Chance und zeichnete einen ersten Comic, „Drosophila Melanogaster“, die überdrehte Abenteuergeschichte zweier Schwaben-hassender Berliner Fruchtfliegen.

In „Ito-San“ greift Jäger jetzt den Dauerstreit um den Schlossplatz auf. Es ärgert ihn, dass seit Jahren über eine neue Architektur für diesen Ort geredet wird, ohne dass etwas passiert. Die Erlebnisse der Hauptfigur seines Buches, des Bauleiters Piet Nickelmann, sind oft ganz direkt aus dem früheren Architekten-Leben des Autors übertragen. Jäger kennt die Kommunikationsstörungen mit japanischen Vorgesetzten, die starre Hierarchie in einem großen Konzern und die Eitelkeit der Architektur-Stars. Dazu passt der Fachjargon der Comicfiguren, in dem es von Begriffen wie Röhrenspan, Bewehrungseisen und Spundwandrammen wimmelt. Auch die schwarz-weißen Zeichnungen tragen die Handschrift des Architekten: Exakte, scharf gezogene Striche, detaillierte Gebäudezeichnungen und mit klaren Linien gezeichnete Menschen, die manchmal allerdings etwas sehr eckig und holzschnittartig wirken.

Auffällig ist die enge Verbindung der Themen Sex und Architektur. Der Einsatz leicht bekleideter Frauen zur Anbahnung von Geschäften gehört in Jägers Architekturwelt zum Alltag. Da ist dann nur logisch, dass der architektonische Hauptdarsteller des Buches, der „Cocktower“ auf dem Schlossplatz, eben auch wie ein Penis aussieht. Helge Jäger will das als Kommentar zum männlichen Imponiergehabe verstanden wissen, das er in der Bauwelt erlebt hat: „Vielen Architekten geht es nur darum, den Größten zu haben“, sagt der Zeichner. „So gesehen, kann man eigentlich jedes senkrechte Gebäude als Phallus interpretieren.“ Dabei schaut er vom Schlossplatz zum Alexanderplatz hinüber. Und beim Blick auf den Fernsehturm man kann ihm tatsächlich kaum widersprechen.

Helge Jäger: „Ito-San und die Sushi-Fritzen AG“, Kopfjaeger-Verlag, 70 Seiten, 9,95 Euro, erhältlich im Buchhandel und per Internet über www.Kopfjaegerverlag.de

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