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Berlin: Die Welt zu Gast bei Träumern

Zieht das Uno-Hauptquartier nach Berlin? CDU-Bundestagsabgeordnete halten es für denkbar

Das Wahljahr ist noch lang und das Sommerloch noch nicht offiziell eröffnet. Doch mit Hilfe zweier Berliner Bundestagsabgeordneter ist ein Gerücht aus dem Parlament in die Öffentlichkeit entwichen, das für Berlin hochinteressant sein könnte, falls es einen Funken Wahrheit enthält: ein Umzug der Vereinten Nationen vom East River an die Spree.

Fakt ist, dass die mittlerweile 55 Jahre alte Zentrale in Manhattan seit den 90ern dringend sanierungsbedürftig ist. Es regnet durch, Elektrik und Klimaanlagen funktionieren nur instabil, manchmal rieselt Putz von der Decke. Vor wenigen Tagen aber trat der Planungsdirektor für die Renovierung zurück – offenbar aus Verärgerung über die fehlende Unterstützung aus Washington. Weil die US-Regierung der von ihr ohnehin gering geschätzten Organisation einen notwendigen Beitrag von 100 Millionen Dollar vorenthalte, würden die Kosten inzwischen täglich um etwa 225 000 Dollar steigen. Insgesamt sind für die Generalsanierung Kosten von 1,6 Milliarden Euro avisiert.

Gestern äußerten sich die Berliner CDU-Abgeordneten Ingo Schmitt und Kai Wegner in einer Boulevardzeitung zu dem Umzugsgerücht. Schmitt soll bekanntlich während seiner Zeit als Berliner CDU-Generalsekretär zumindest indirekt mehrfach Kontakt mit den UN, namentlich mit dem Büro von Klaus Töpfer in Nairobi gehabt haben. Und Wegner berichtete gestern, er habe „auf den Gängen im Bundestag gehört, dass insbesondere deutsche Diplomaten vorschlagen, dass die Uno nach Bonn ziehen könnte“. Daraufhin sei er aktiv geworden, damit es nicht Bonn, sondern Berlin werde. Die Stadt wäre wegen ihrer Geschichte – „hier war die Ost-West-Konfrontation“ – ein idealer Standort. In Bonn allerdings betreiben die UN bereits eine Vertretung und mehrere Sonderorganisationen. Und auch in der Ex-Bundeshauptstadt stehen Büroflächen leer.

Nachdem der FDP-Landesabgeordnete Markus Löning als Standort bereits das Gelände des ehemaligen US-Hauptquartiers an der Clayallee vorgeschlagen hatte, bremste der Berliner FDP-Fraktionschef Martin Lindner gestern die Debatte: „Es ist nicht realistisch.“ Der Streit um die US-Zahlungen sei „ein altes Spiel von Druck und Gegendruck“ – inklusive der Debatte um den Sitz der UN.

Das 39-stöckige Gebäude, in dem neben Vertretern der 191 Mitgliedsstaaten 4500 Angestellte arbeiten, befindet sich nicht auf US-Territorium, sondern auf neutralem Gebiet. Dieser Status erspart auch die nach amerikanischen Bau- und Sicherheitsvorschriften überfällige Schließung. Nach den Plänen des zurückgetretenen UN-Planungsdirektors sollten jeweils zehn Etagen gleichzeitig saniert werden, so dass immer ein Teil des Gebäudes in Betrieb bliebe. Dieses Vorgehen würde der Renovierung des New Yorker MoMA ähneln, dessen teilweise Auslagerung nach Berlin hier einer der größten Erfolge des vorvergangenen Jahres war.

Aus international informierten Kreisen ist zwar zu hören, dass sich Diplomaten wirklich bemühen, möglichst viele UN-Einrichtungen nach Bonn zu holen. Doch obwohl eine New Yorker Boulevardzeitung bereits vom möglichen Komplett-Umzug an den Rhein berichtet hat, sind offenbar keine „dicken Fische“ in Sicht, und von Berlin ist gleich gar nicht die Rede. Das Auswärtige Amt erklärte gestern auf Nachfrage, Umzugspläne an die Spree seien gänzlich unbekannt. Im Bundespresseamt hieß es nur: „Interessantes Gerücht.“

Das findet auch der Berliner SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Seine Parole: „Vor allem nicht vordrängeln.“ „Natürlich ist Berlin geeignet, auch infrastrukturell“, aber man sollte zunächst „unaufgeregt gucken, wie es weitergeht“.

Unaufgeregt gucken will auch die Senatskanzlei, der die UN-Umzugspläne ebenfalls neu sind. „Wenn Kofi Annan nach Berlin kommen will, ist die Nummer des Regierenden natürlich immer offen“, sagt Senatssprecher Donnermeyer.

Auch der landeseigene Liegenschaftsfonds guckt unaufgeregt. „Wir hätten da die Steuben-Kaserne in Zehlendorf“, heißt es. „Die steht leer und ist über 32 000 Quadratmeter groß.“ Die Frage ist nur, ob die Uno an einer Stadtrandlage überhaupt interessiert ist.

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