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Berlin: Die Zirkus-WG

Doppelt hält besser: Das Chamäleon legt die Erfolgsshow „Loft“ wieder auf Die akrobatischen Künstler gastierten schon 2005 in den Hackeschen Höfen.

Lustig ist das Artistenleben, besonders in der Körperkünstler-WG. Rein geht’s durch den Kühlschrank. Alle hüpfen den ganzen Tag barfuß in Unterwäsche umher. Die Schlüpper hängen auf der Leine. Und eh man sich’s versieht, baumelt schwupps schon eine Mitbewohnerin unter der Decke und ein Kommunarde jongliert mit Diabolos. Und wenn es doch mal Krach gibt unter den vier Frauen und drei Männern, wird er kurzerhand weggetanzt – in fließenden, die artistischen Nummern am Vertikaltuch oder dem Trapez einbindenen Choreografien.

„Loft“ heißt die neue alte Show, die am Donnerstag im Chamäleon in den Hackeschen Höfen Premiere feiert. 2005 war die jetzt frisch eingerichtete und besetzte, erste weltweit erfolgreiche Produktion des Zirkuskollektivs „The 7 Fingers“ schon mal zehn Monate hier zu sehen, erzählt Regisseurin Gypsy Snyder. Da turnten sie und die sechs Kollegen der vielfach preisgekrönten Truppe aus Montreal quasi das Leben in ihrer eigenen Zirkus-WG noch selber, inzwischen haben sie allesamt das Artisten-Verfallsdatum überschritten und sich auf’s Inszenieren und Stücke entwickeln verlegt.

Da will auch Olaf Triebel mal hinkommen. Der 31 Jahre alte Handstandakrobat aus Hagen ist der einzige Deutsche im aus Engländern, Amerikanern und Kanadiern bestehenden Ensemble. Neun Jahre möchte er aber erstmal noch auf der Bühne stehen, sagt er. Dahin ist er nur gekommen, weil seine Pfarrgemeinde Kinderzirkus anbot und ihn dann sein ursprünglich aufgenommenes Soziologie-Studium nach drei Tagen so nervte, dass er sich postwendend bei der National Circus School in Montreal bewarb. Deren Ruhm ist sogar in Westfalen bekannt? Triebel nickt. Seit zwölf Jahren lebt er jetzt in Kanada und tourt mit dem Cirque du Soleil oder den 7 Fingers. Und wohnt auch in einer Artisten-WG? „Nicht mehr“, sagt er sichtlich erleichtert, „vor sechs Monaten bin ich ausgezogen“. Aber hier in Berlin teile man sich unter den Kollegen schon Wohnungen. Hoffentlich welche, die mit weniger Sperrmüllcharme ausgestattet sind wie die Bühne in „Loft“.

Anke Politz, die künstlerische Leiterin des Chamäleons, hält das WG-Stück jedenfalls für extrem identifikationsfördernd. „Alles, was auf der Bühne geschieht, könnte auch mir passieren“, sagt sie. Hm, ja, aber nur, wenn man mit sehr gelenkigen Leuten verbandelt ist.

So einer ist auch Tobias Wegner, der in der Eigenproduktion „Leo“ ab dem 16. April immer montags im Chamäleon zu sehen ist. Das in einer mit Kameras ausstaffierten Box spielende Stück entwickelt sich nach der jetzt durch Australien, Spanien, Schweden und Singapur tourenden Badewannenshow „Soap“ zum nächsten Show-Export made in Berlin. Im Januar lief das 2011 beim Fringe Festival in Edinburgh mit Preisen überhäufte Stück mehrere Wochen in New York. Die Zeitschrift ,New Yorker‘ habe dem Stück sogar eine seiner berühmten Karikaturen gewidmet, erzählt Politz stolz. Teilen muss dessen Held seinen Wohnraum nicht: „Leo“ ist ein Ein-Personen-Stück.

Chamäleon Theater, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte, bis 26. August, Karten ab 37,35 Euro bei der Tagesspiegel-Ticket-Telefonnummer 29021-521: Mo-Fr 7.30-20 Uhr, Sa/So 8-12 Uhr

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