zum Hauptinhalt
 Fühlt sich unter Büchern wohl. Der Erforscher der Zivilgesellschaft Rupert Graf Strachwitz.

© Maecenata Institut

Dokumentar der Zivilgesellschaft: Berliner Politikwissenschaftler Rupert Graf Strachwitz zieht sich zurück

Rupert Graf Strachwitz hat für gemeinnützige Organisationen gearbeitet und das Maecenata Institut in Berlin-Mitte aufgebaut. Künftig will er sich an den Schreibtisch zurückziehen.

Der Zivilgesellschaft hat Rupert Graf Strachwitz Kontur und Sichtbarkeit gegeben. In seinem Maecenata Institut in Berlin-Mitte hat er eine der größten Bibliotheken zum Thema aufgebaut, mit allein 15.000 Bänden – dazu kommen noch viele Datenträger. Aber im magischen Alter von 77 Jahren will sich der Politikwissenschaftler trotzdem noch nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.

Nach einem Fest zu seinen Ehren am Montag zieht er sich aus dem geschäftsführenden Vorstandsvorsitz der Maecenata Stiftung zurück, um sich künftig ganz aufs Schreiben und Lehren konzentrieren zu können. Es gibt schließlich noch genug zu tun. Die Leitung des Instituts hat er bereits letztes Jahr an seine Stellvertreterin Siri Hummel abgegeben. Als strategischer Berater bleibt er aber präsent.

Die größte Baustelle, die derzeit nach kreativen Impulsen verlangt, ist aus seiner Sicht die Demokratie und ihre Zukunft. Eine Frage, die ihn und die Mitarbeiter in dem von ihm gegründeten Maecenata Institut derzeit besonders beschäftigt, formuliert er so: „Was kann die Zivilgesellschaft dazu beitragen, dass Demokratie resilient wird?“

Vater aus Schlesien, Mutter Engländerin

Besorgniserregend findet Rupert Graf Strachwitz nicht nur den rechten Rand der Gesellschaft, sondern vor allem auch manche Bemerkungen, die aus ihrer Mitte kommen und darauf zielen, dass Demokratie manches umständlicher mache.

Als letztens die Kampagne der AfD zur „Remigration“ losging, verbreitete er stolz seinen eigenen migrantischen Hintergrund. Erst im Alter von sechs Jahren aus Italien nach Deutschland gekommen, Vater Diplomat aus Schlesien, das heute zu Polen gehört, die Mutter Engländerin, Schriftstellerin (und eine Cousine von Graham Greene).

Wir müssen die Demokratie reformieren, wenn wir sie erhalten wollen.

Rupert Graf Strachwitz

„Wir müssen die Demokratie reformieren, wenn wir sie erhalten wollen“, ist er überzeugt. „Dazu kann die Zivilgesellschaft einen Beitrag leisten.“

Er selbst ist beruflich wie ehrenamtlich vielfältig engagiert, hat für die Malteser in der Zentrale in Rom gearbeitet, für die Nachfahren der bayerischen Könige Schlösser verwaltet, war bei der Caritas und hat ein Beratungsunternehmen gegründet und wieder verkauft. Mit seinem Maecenata Institut hat Rupert Graf Strachwitz Anfang des Jahrtausends ein Programm entwickelt, das es ermöglicht, im Ausland zu spenden.

Inzwischen sind dadurch rund 200 Millionen Euro in internationale Projekte geflossen. Er wirkt unter anderem mit bei der Bürgerstiftung Berlin. Wenn beim Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen eine Institution das Spendensiegel nicht bekommt, landet der Berufungsantrag auch auf seinem Schreibtisch. Und er bleibt auch Vorstandsvorsitzender der Maecenata Stiftung.

Zu den spannendsten Jahren seines Wirkens zählt er die Zeit von 1998 bis 2002, als er bei einer Enquetekommission des Bundestags zur Zukunft bürgerschaftlichen Engagements mitwirkte. „Wir haben wirklich an eine neue Basis geglaubt“, erinnert er sich. „Da war eine große Aufbruchstimmung.“

Der Raum für bürgerschaftliches Engagement wird immer enger

Manche Erwartungen wurden dann später enttäuscht. Aber das war nie ein Grund zum Aufhören. Neue Aufgaben wuchsen ihm zu. Können Muslime in Deutschland Stiftungen gründen? Dazu forschte er und fand heraus, dass Muslime besonders spendenfreudig sind.

Zuletzt war ein Schwerpunkt seiner Arbeit der enger werdende Raum für bürgerschaftliches Engagement, „Shrinking Civic Space“, wie das auf International heißt. Und das betreffe nicht nur Russland, Indien oder Ägypten, sondern auch Europa.

In Großbritannien hätte der Brexit 2016 vielleicht verhindert werden können, wenn es nicht 2014 ein neues Gesetz gegeben hätte, nach dem sich gemeinnützige Organisationen im Vorfeld von Wahlen praktisch nicht mehr politisch äußern dürfen.

In Deutschland findet nach seiner Beobachtung die Verengung des Raums für Engagement „auf die stille Tour“ statt, durch stärkere Bürokratie und immer neue Vorschriften. Nach rund 700 selbst verfassten Publikationen hofft Rupert Graf Strachwitz nun, dass sein Nachfolger Ansgar Gessner an der Spitze des Instituts nicht einfach nur sein Erbe verwaltet, sondern sein Werk weiterentwickelt.

Und vielleicht bleibt ihm auch noch Zeit, sich seinen kulturhistorischen Interessen zu widmen. Eine Reise in den Irak ist bereits geplant. Bücher sind nach wie vor auch sein Hobby: „Ich lese, sammle und schreibe sie.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false