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Der Schauspieler Jörg Hartmann, hier bei den Dreharbeiten zum Tatort "Auf ewig Dein", engagiert sich für die Potsdamer Stadtgestaltung.

© dpa

Dortmunder Tatort und Potsdamer Bausünden: Tatort-Star engagiert sich fürs Potsdamer Stadtbild

Der Schauspieler Jörg Hartmann ermittelt am Sonntag im Dortmunder Tatort. Privat wohnt er in Potsdam und engagiert sich in der Stadtentwicklung.

Herr Hartmann, Ihr Dortmunder Tatort-Kommissar Peter Faber ist ein durchgeknallter Irrer. Sie mögen solche Rollen, oder?

Mich haben solche Charaktere schon immer mehr interessiert als die klassischen Publikumslieblinge: die Kranken, politisch Unkorrekten.

In der vierten Tatort-Folge, die an diesem Sonntag ausgestrahlt wird, kommt Faber der Ursache seines Traumas - dem Mord an seiner Frau und seiner Tochter - näher. Was passiert, wenn er den Mörder seiner Familie tatsächlich überführt und und hinter Gitter gebracht hat - wird er dann zahm?

Mal gucken, wie es ihm danach gehen wird. Klar ist für mich, der Mann wird nie erlöst sein, nie normal sein. Der wird kein normaler Ermittler, man muss ja bedenken, was ihm passiert ist. Dem wurden Frau und Tochter genommen! Aber er muss sich in den Griff bekommen, denn so kann es mit ihm nicht weitergehen, das hält auch sein Team nicht ewig aus. Aber keine Sorge, der Dortmund-Tatort wird kein weichgespültes Harmonie-Team werden. Das wollten wir alle von Anfang an nicht.

"Auf ewig Dein" heißt der Tatort vom Sonntag - ist das auch eine Anspielung auf Fabers Trauma, das ihn weiter begleiten wird?

Natürlich. Wie soll Faber das loswerden? Auch wenn der Mörder seiner Familie jetzt in den Knast geht, kann man davon ausgehen, das der noch mal vorkommt.

Wissen Sie schon, wie Sie die Rolle weiterentwickeln?

In groben Zügen, ja. Das Buch für den fünften Teil des Dortmunder Tatorts haben wir bereits, ich weiß auch ungefähr, was im sechsten Teil passieren wird. Und ich habe die Rolle ja auch von Anfang an so angelegt, uns allen war sehr früh klar, dass es über kurz oder lang auf eine Lösung wie jetzt im vierten Teil hinausläuft. Wir wollten aber nicht mit der Tür ins Haus fallen, dem Zuschauer nicht alles vorerzählen. Aber ich kann mir vorstellen, dass Fabers Verhalten jetzt in der Rückschau für viele verständlicher wird.

Das Paradoxe an Faber ist ja, dass er trotz seines ätzenden Verhaltens beim Zuschauer sympathisch rüberkommt. Ist das ein bisschen Ihr Auftrag, Ihre Mission? Den Menschen zeigen: Leute, seid achtsam, hinter schwierigen Charakteren steckt oft ein ganz fabelhafter aber vielleicht gebrochener Mensch?

Ja klar, so ist es ja immer. Ich zeige gern das ein bisschen Abseitige. Aber man muss eben auch immer etwas finden, womit man dann trotzdem beim Publikum andocken kann. Das konnten bei Faber viele anfangs nicht. Das wird sich jetzt aber möglicherweise ändern. Trotzdem bleibt der Dortmund-Tatort zuständig für das Abgründige. Auch wenn das Schwere nicht unbedingt typisch ist für die Bewohner dieser Stadt. Aber für den Humor ist Münster zuständig.

Dortmund hat ein ziemlich großes Tatort-Team. Fast überall ermitteln Duos, in Dortmund sind Sie zu viert. Warum?

Die Idee dahinter war, die Arbeit einer Mordkommission etwas realistischer darzustellen. Normalerweise arbeiten da noch viel größere Teams. Und für den Krimi ist das auch hilfreich, man kann die Story damit schneller erzählen. Der eine ermittelt hier, der andere dort, da gewinnt man ein höheres Tempo. Das Besondere bei uns ist ja auch, dass alles konsequent aus der Sicht der Kommissare erzählt wird, der Zuschauer ist nie weiter als wir.

Sie sind erst mit Anfang 40 vom Theater zum Fernsehen gewechselt. Hat es sie am Theater irgendwann frustriert, am Theater, dass nur ein kleines Publikum Sie kennt?

Nein, der Grund war ein ganz anderer. Die Arbeit vor der Kamera hat mich fasziniert, weil die alles sieht. Auch die kleinsten Details. Gut, gerade an Schaubühne, wo ich vorher gearbeitet habe, haben wir auch immer nach einem naturalistischen Ton gesucht. Aber die Kamera, das Mikro, die bekommen wirklich alles mit. Der Vorteil am Theater ist, dass man einen direkten Draht zum Publikum hat. Deshalb war es jetzt so schön, die Premiere des vierten Dortmund-Tatorts dort in einem Kino zu feiern. Da habe ich wirklich mitbekommen, wie die Leute reagiert haben.

Sie suchen ja auch abseits Ihrer Arbeit den Austausch, engagieren sich zum Beispiel hier in Potsdam für die Gestaltung der Innenstadt. Warum sind Sie eigentlich ausgerechnet hierher gezogen?

Na, wegen der traumhaften Seen, der Parks, der Schönheit der Stadt. Ich habe ein großes Faible für Städtebau, ich brauche so eine gewachsene Struktur um mich. Dieselben Gründe, aus denen so viele andere hier leben wollen. Als ich 1999 an der Schaubühne anfing, haben wir in Berlin gelebt, waren aber schon damals fast jedes Wochenende in Potsdam. Und als sich unsere Tochter ankündigte, lag es nahe, hierher zu ziehen.

Sie betonen das Gewachsene, das sie an Potsdam schätzen. Manche Kritiker fürchten gerade, dass das nach und nach verschwindet, zu Gunsten der preußischen Prachtbauten, die wieder aufgebaut werden.

Oh Gott, wenn ich das schon höre, das preußische. Was soll das denn bitte genau sein? Das sind immer so Schlagworte, viele differenzieren da gar nicht. Und es ist ja Quatsch, dass alles, was an die DDR erinnert, ausgemerzt werden soll. Fast 40 Prozent der Potsdamer Bauten stammen aus der Zeit, und ganz viel davon bleibt ja. Dazu kommt: Ich störe mich an den ganzen Nachwende-Sünden, dem Hauptbahnhof etwa, oder diesen fleischfarbenen Wohnblöcke direkt dahinter genauso.

Muss man deshalb Gebäude nachbauen, die es gar nicht mehr gibt?

Man darf nicht vergessen: Selbst Kritiker aus der linken Szene loben mittlerweile das Stadtschloss, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand.

Was macht die Stadt denn aus Ihrer Sicht städtebaulich falsch?

Die Stadt macht mittlerweile viel richtig, aber an vielen Ecken wird einfach gebastelt und plötzlich steht etwas da, das vielleicht anders geworden wäre, gäbe es ein Konzept für die ganze Stadt. Wenn ich mir etwa ansehe, wie mit der Breiten Straße umgegangen wird, die ja derzeit kein Mensch ernsthaft als schön bezeichnen kann: Gut, da kommen jetzt ein paar Bäume hin, das müsste aber durchgezogen werden bis zur Zeppelinstraße. Oder der Regierungsneubau, der gerade in der verlängerten Dortustraße entsteht - also quasi noch in der Potsdamer Altstadt. Das wird ein hässlicher Zweckbau, der so in jeder anderen deutschen Stadt stehen könnte. An der Stelle wird aber irgendwann mal der Kanal langgehen.

Was wünschen Sie sich stattdessen?

Ich finde, da sollte eine Architektur entstehen, die an die Tradition andockt, und trotzdem in die Zukunft weist. Ich bin auch dafür, gute DDR-Architektur zu erhalten, aber die Fachhochschule oder das Mercure gehören für mich nicht dazu. Und ich verstehe die Begeisterung der Linken für das Mercue nicht, das war ja kein Hotel, in dem normale Menschen absteigen konnten.

Fehlt der Linken Ihrer Ansicht nach der Sinn für Ästhetik?

Teilweise verstehe ich das, dass die, die damals beteiligt waren, es bedauern, wenn Dinge wie die Fachhochschule verschwinden, das Mercure. Ich halte diese Bauten aber trotzdem für einen krassen ideologischen Eingriff in die Stadt, fast eine Vergewaltigung. Sie sind auch Teil der Stadt, ja. Aber ein Teil, der der Stadt schadet. Damit sollte das alte Preußen zerstört werden. Städte können aber nichts für die Ideologien. Ich kann die Haltung der Kritiker also aus menschlicher Sicht nachvollziehen, denke aber, kein Mensch mit einem Schönheitsempfinden kann solche Bauten dauerhaft wollen. Es macht mir aber auch Spaß, mit den Leuten darüber zu streiten, auch wenn man leider schnell bei ideologischen Diskussionen landet.

Das Gespräch führte Ariane Lemme.

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