zum Hauptinhalt
Sicherheit und Sauberkeit. Polizei und Sicherheitsdienst werden die Reiniger begleiten.

© Jörn Hasselmann

Dreck, Drogen, Obdachlosigkeit: Wie die BVG Berliner U-Bahnhöfe sauberer machen will

Auf Tiktok ist die U-Bahn-Linie 8 weltberühmt – wegen des Drecks, der Drogen und der Gewalt. Ein Pilotprojekt soll jetzt für Besserung sorgen und könnte auch auf andere Linien ausgeweitet werden.

Kinder und Jugendliche weigern sich, die U8 zu nutzen, viele Frauen ebenso. Der Zustand dieser U-Bahn-Linie ist im Wortsinn unterirdisch. Drogenkonsum und Drogenhandel, damit einhergehend Gewalt und Dreck. Obdachlose leben auf den Bahnsteigen, für ihre Notdurft gehen sie maximal ins Zwischengeschoss. Es stinkt in der U8. Und zwar so sehr, dass jetzt alle an einem Strang ziehen wollen, dies zu ändern.

Am Mittwoch stellten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Polizei und der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ein Pilotprojekt vor. Zunächst drei Monate lang sollen zusätzliche Reinigungskräfte begleitet von Sicherheitspersonal im südlichen Abschnitt der U8 für Ordnung sorgen. Das Projekt läuft unter dem Titel „Reinigungsstreife“, die BVG nimmt dazu 700.000 Euro für die drei Monate in die Hand und verspricht „eine erhöhte Präsenz von Sicherheitspersonal“.

Der neue BVG-Chef Henrik Falk versicherte, dass das dreimonatige Projekt keine „Shownummer“ sein werde. Nach den drei Monaten wolle man auswerten, ob und wie es auf andere Linien ausgeweitet werden kann. Dazu sollen Mitarbeiter und Fahrgäste befragt werden. Die Einsätze werden dokumentiert, die Erfahrungen dabei statistisch erfasst und analysiert. Falk hatte nach seiner Rückkehr aus Hamburg nach Berlin angekündigt, sich um das Thema zu kümmern. „Sauberkeit macht den Nahverkehr viel wertiger und attraktiver“, sagte er Anfang Januar im Interview mit dem Tagesspiegel.

Bis Mitte Mai werden nun zunächst zwischen den U-Bahnhöfen Jannowitzbrücke und Hermannstraße rund um die Uhr Reinigungskräfte und Sicherheitspersonal gemeinsam unterwegs sein, die Teams werden deutlich häufiger als bisher an den einzelnen Bahnhöfen präsent sein. Die einzelnen Reinigungsstreifen werden jeweils fest für höchstens zwei bis drei Bahnhöfe verantwortlich sein. 

Mehrere Bahnhöfe, darunter Kottbusser Tor und Schönleinstraße, werden künftig täglich nass gereinigt. Laut BVG sollen auch die Züge an der Endstation Hermannstraße gründlicher gereinigt werden. Kai Wegner betonte am Mittwoch im U-Bahnhof Hermannstraße, dass es bei dem Pilotprojekt um weit mehr gehen soll als die Reinigung von Bahnhöfen. Gemeinsames Ziel von BVG und Politik sei ein breites Bündnis, um „gemeinschaftlich für mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität nicht nur im Untergrund, sondern im gesamten Umfeld zu sorgen.“

Berliner Polizei beteiligt sich

„Eigentlich traurig, dass die Reinigungskräfte von Sicherheitsstreifen begleitet werden müssen“, sagte BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt am Mittwoch. Auch die Polizei beteiligt sich, „ein tolles Zeichen angesichts der Personalnot“, lobte Erfurt. Die Videoüberwachung wird während des Projekts ausgeweitet. Erfurt forderte von der Politik, dass Videobilder länger gespeichert werden dürfen, 96 statt der derzeit 48 Stunden: „Dies würde uns und der Polizei helfen.“

Tatsächlich gilt die U8 seit etwa 30 Jahren als „Kriminalitätsbelasteter Ort“ (KBO). Dort darf anlasslos kontrolliert werden. Während andere Orte von der internen Liste der Polizei wieder verschwanden, ist die U8 vom Start an dabei. Ihren schlechten Ruf hat die Linie nie verloren.

Der Chef der zuständigen Polizeidirektion 5 nennt den Grund, wieso die Verwahrlosung in den letzten Jahren zugenommen hat, es ist nur ein Wort: Crack. „Das Konsumverhalten hat sich geändert“, sagte Markus van Stegen dem Tagesspiegel. Die Droge habe die Süchtigen aggressiver gemacht. Direktionsleiter van Stegen berichtete, dass die Polizei seit einiger Zeit wieder mit der BVG gemeinsam auf Streife gehe, und zwar in den beiden Linien U1 und U8. Die Doppelstreifen waren vor gut 20 Jahren erfunden worden, wegen Personalmangels wurden sie wieder abgeschafft.

Neben den Drogen gibt es weitere Probleme. Das eine sind die Obdachlosen, die sich im Untergrund wärmen. Für die BVG seit vielen Jahren ein heikles Problem. Der Verkehrsbetrieb will nicht in den Ruf kommen, sozial kalt zu handeln. BVG-Vorstand Erfurt betonte deshalb, dass die Obdachlosen nachts nicht einfach „verdrängt“ werden sollen. Hier kooperiere die BVG mit sozialen Trägern wie der Kältehilfe, dies solle ausgebaut werden.

Tagsüber wolle man Obdachlose nicht mehr auf den Bahnsteigen tolerieren, sagte Erfurt. Verkehrsunternehmen in anderen europäischen Großstädten fahren eine Null-Toleranz-Politik gegen Obdachlose, Warschau hat sogar ein entsprechendes Piktogramm entworfen, das in Bahnhöfen zu sehen ist.

Ein Piktogramm weist in einem Bahnhof in Warschau darauf hin, dass Obdachlose dort nicht schlafen dürfen.
Ein Piktogramm weist in einem Bahnhof in Warschau darauf hin, dass Obdachlose dort nicht schlafen dürfen.

© Jörn Hasselmann

Die BVG hatte ewig mit der Senatssozialverwaltung um den Umgang mit Obdachlosen im Winter gestritten. Drei Stationen waren traditionell als sogenannte Kältebahnhöfe im Winter nachts für Obdachlose geöffnet, einer davon war Schönleinstraße. Letztlich setzte sich die BVG durch: Vor wenigen Jahren wurden die Kältebahnhöfe wieder abgeschafft, Hauptargumente waren Sicherheit und Hygiene. Einen Satz sagten alle Beteiligten bei der Vorstellung des Projekts am Mittwoch weitgehend wortgleich: „Gesellschaftliche Probleme können nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden.“

Das dritte Problem kann die BVG nur langfristig lösen: Viele Stationen auf der U8 sind grundlegend baufällig. Rekordhalter im Verschieben der Sanierung ist der Bahnhof Schönleinstraße. Aktueller Termin für den Start ist nun 2026. Als dringend sanierungsbedürftig gilt er seit mehr als zehn Jahren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false