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Berlin: Drei Engel für Echo

Die Verleihung des zweitgrößten Musikpreises der Welt wird von Frauen organisiert. Sie leiten Arbeiter an, planen Termine und bestellen Trinkwasser auf den Fidschis

Das Herz des Echo ist klein und voll Papier. Es liegt in den Katakomben des ICC und heißt „Produktionsbüro“. Dass es nur Fensterschlitze hat und abgetretenen Linoleum fällt den Bewohnern nicht auf – sie haben genug zu tun. Die drei Frauen, die sich hier einen Riesenschreibtisch zusammengeschoben haben, gehören zu den wichtigsten Organisatoren.

Petra Ullrich, 40

Produktionsleitung Technik

Petra Ullrich plant den Echo schon seit dem Sommer. Sie gehört zur Produktionsgesellschaft Kimmig, die den zweitgrößten Musikpreis der Welt nach dem US-Grammy schon seit Jahren o€rganisiert. Wenn sie nicht gerade Echo macht (und das jetzt zum fünften Mal), stellt sie Sendungen wie den Deutschen Fernsehpreis oder „Willkommen bei Carmen Nebel“ auf die Beine. Diesmal kümmert sie sich vor allem um alles, was mit der Bühne zu tun hat: Deko, Show, Technik. Sie hat das Budget aufgestellt, die Angebote der Zulieferer eingeholt und überwacht die Kosten. Seit die Crew ins ICC umgezogen ist, hält sie ständig Rücksprache mit Bühnenmeister, Beleuchtungsmeister, Tonmeister, dem technischen Leiter und den Leuten vom ICC. „Koordination der Gewerke“ nennt sie das. „Weil sich das riesige Ding sonst verselbstständigt.“

Petra Ullrich hat auch die so genannte Gesamtdisposition geschrieben. Einen Zentimeter dick ist der Papierstapel, darin steht der Ablauf von der ersten Minute im ICC eine Woche vor der Veranstaltung bis Samstag nach der Verleihung; zehn Seiten umfassen allein die Aufbautermine. Es galt, eine Million Fragen zu beantworten. Was muss zuerst hoch ins Technikgewirr über den Köpfen der Zuschauer? Haben die Statiker die Bühne überprüft? Wo können die Zulieferer ihre Lkws parken? Wie lange brauchen sie für den Aufbau, wann kann der nächste rein?

Allerdings gehört es zum Echo, dass sich jeden Tag auch alles wieder ändern kann. Für den Auftritt von „Outcast“ zum Beispiel hat Ullrich günstige Riesenkronleuchter organisiert. Doch, dumm, funktionierten die jetzt nicht. Also musste schnell Ersatz her, und der kommt jetzt in einem Siebeneinhalbtonner aus Köln. Dann klingelt das Handy zum 100. Mal an diesem Tag, aber Petra Ullrich bleibt ruhig und freundlich, wie immer. Wer Echo machen will, sagt sie, muss eben stressresistent sein. Und schnell. Es sei wie Ping-Pongspielen: Ständig kommen Probleme angeschossen, dann muss man den Lösungsvorschlag gleich zurückhauen können.

Beata Stehlin, 37

Produktionsleitung „Leute-Organisatorin“

Der Echo ist so groß, dass, was unüblich ist, zwei Produktionsleiter ran müssen. Beata Stehlin, die sonst „Bambi“ und „Immer wieder Sonntag“ stemmt, ist jetzt zum sechsten Mal dabei – und diesmal zuständig für alles, was nicht in Petra Ullrichs Bereich fällt. Noch vom Büro aus hat sie geklärt, welcher Sender, RTL zum Beispiel oder MTV, welches Büro bekommt und welche Büromaterialien sie benötigen, wie viele Computer und wie viele Telefone. Sie hat auch die Crew zusammen „gekauft“: hat Kameraleute, Künstlerbetreuer und Bühnenarbeiter engagiert.

Morgens schreibt Beata Stehlin die Tagesdisposition, eine aktualisierte Miniversion von Petra Ullrichs Gesamtdispo und checkt beispielsweise noch einmal, ob die Künstler auch wirklich da sind, die an diesem Tag proben sollen. Und: Sie kümmert sich ums Essen für die Crew, hat immer im Blick, wie viele mitessen – 30 am ersten Tag des Aufbaus, 290 am letzten. „Hört sich albern an“, sagt sie, „aber den richtigen Caterer zu finden, war echt wichtig. Nichts macht schlechtere Laune, als wenn das Essen fad ist.“ Schließlich arbeiten alle hart. Die drei Produktionerinnen sind zurzeit noch von neun Uhr morgens bis 21 Uhr im ICC. Ab morgen wird es mindestens Mitternacht.

Tanja Bühler , 26

Produktionsassistentin

Tanja Bühler hat zwar viel Papierkram zu erledigen – sie schließt zum Beispiel die Verträge mit den Kollegen, die Beata Stehlin engagiert hat und bucht ihre Flüge und Hotels – aber hauptberuflich ist sie während des Echos Innenarchitektin, VIP-Betreuerin und Auftrittskoordinatorin in einem.

Zunächst fragt sie bei den Plattenfirmen an, mit welchem Titel der Gaststar wohl auftreten will, dann fordert sie die Musik an. Die gibt sie dann an die Lichttechniker weiter, damit die sich schon mal Gedanken machen können, welches Lichtkonzept am besten dazu passt. Die Kameraleute bekommen die Texte, und zwar die exakte Version, bis zum letzten „oh, baby“, damit sie wenigstens grob schon planen können, welche Schnitte sich anbieten. Wär doch blöd, auf den Sänger zu schwenken, wenn der gerade nicht singt. Außerdem kümmert sich Tanja Bühler um die Garderoben. Kylie Minogue zum Beispiel bringt diesmal sechs Tänzer mit, also hat Tanja eine für sie und je eine für die männlichen und die weiblichen Tänzer in Auftrag gegeben.

Es sei ein ziemlich ungewöhnlicher Echo diesmal, sagt Tanja Bühler. Normalerweise rufen die Plattenfirmen vor der Veranstaltung nämlich zigmal an und geben Sonderwünsche weiter wie: alles nur cremefarben für Jennifer Lopez, bitte. Diesmal: Fehlanzeige. Bescheidene Stars. Es bleibt bei der normalen Ausstattung: schwarzes Ledersofa, ein oder zwei Sessel, Teppich oder Parkett, ein Standspiegel, ein Garderobenständer.

Knifflig ist (wie immer, übrigens) nur das VIP-Catering. Tanja Bühler sagt nicht wer: Aber ein US-Star möchte nur jenes stille Wasser von den Fidschi-Inseln trinken, das zurzeit in New York so hip ist. Weil aber die Firma nur wenige Ressourcen hat und der spärliche Überschuss vom amerikanischen Markt aufgekauft wird, ist kein einziges Fläschchen für den Echo übrig – Tanja Bühler bleibt aber „dran“, sagt sie. Da war das Dörrfleisch leichter zu besorgen. Auch für einen von den Amerikanern. Und vom Schwein, bitte. Schon ein Klassiker: Preiselbeersaft für alle Amis. Den lieben sie.

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