zum Hauptinhalt

Berlin: Dutschke teilt die Kochstraße

Mehrheit im Kreuzberger Rathaus steht: Die Straße, wo Springer residiert, soll nach dem Studentenführer heißen – jedenfalls zum Teil

Die Tage der Kochstraße in ihrer bisherigen Form sind offenbar gezählt. Für den Vorsitzenden der Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung, Riza Baran von den Grünen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schilder der Kreuzberger Straße den Namen des einstigen Studentenführers Rudi Dutschke tragen. „Wir haben gute Chancen, eine Mehrheit für die Umbenennung zu bekommen“, sagt der BVV-Vorsteher dem Tagesspiegel. „Jetzt muss lediglich noch geklärt werden, wie schnell der Beschluss umgesetzt wird und wie wir die Unterstützung der betroffenen Anwohner gewinnen.“ Und auch für Steffen Zillich, den Bezirksvorsitzenden der PDS, die in Kreuzberg-Friedrichshain die stärkste Fraktion stellt, steht fest: „Politisch ist klar, dass die Umbenennung kommt.“

Am 26. Januar debattieren die Bezirksverordneten erneut über den Antrag der PDS. Deren Vorstoß ging aus einer Initiative der an der Kochstraße sitzenden linken Tageszeitung taz hervor. Inzwischen tragen ihn auch die Grünen und, mit Vorbehalten, auch die SPD mit. Lediglich die Kreuzberger CDU kämpft noch dagegen, den Wortführer der 68er-Bewegung, der vor 25 Jahren an den Spätfolgen eines Attentats starb, mit einer eigenen Straße zu ehren. Die Bezirksverordneten werden den Antrag von PDS und Grünen, so ist zu erwarten, Ende Januar an die Ausschüsse weiterleiten, die sich um die praktischen Details kümmern. Schon in zwei Monaten, so erwartet BVV-Vorsteher Baran, könnte der Beschluss dann umgesetzt werden.

„Noch ist nichts entschieden“, kontert der Sprecher der Kreuzberger CDU, Lars Meissner. Auch Kurt Wansner, Kreuzbergs CDU-Vertreter im Abgeordnetenhaus, sagt der Initiative den Kampf an. Die Umbenennung sei eine „Provokation für alle aufrechten Demokraten“, schimpft der streitbare Konservative und behauptet, Dutschke habe das demokratische System der Bundesrepublik abgelehnt. „Deshalb wäre es grotesk, dass ausgerechnet die Institution, die er bekämpft hat, ihm diese Ehre zukommen lassen würde.“ Zusätzlich pikant wäre die Umbenennung dadurch, dass die künftige Rudi-Dutschke-Straße am Areal des Axel-Springer-Verlages liegt, damals einer der größten Gegenspieler von Dutschke und der Studentenbewegung.

Der Europa-Abgeordnete der Grünen, Michael Cramer, sieht jedoch auch Gemeinsames. Sowohl Dutschke als auch Springer hätten sich niemals mit der deutschen Teilung und der Mauer abgefunden, sagte Cramer am 24. Dezember, dem 25. Todestag von Dutschke, der Antifaschist und Antistalinist gewesen sei.

Die taz wiederum präsentierte in den vergangenen Tagen weitere Unterstützer für ihr Anliegen. Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens würdigte Dutschke in der Zeitung als „einen der großen Nachkriegsdeutschen“. Er habe in den 60er Jahren eine friedliche Weltbewegung gefordert, die heute dringender denn je sei. Auch der 70-jährige Soziologe Oskar Negt hob Dutschkes wichtige Rolle in der damaligen Bundesrepublik hervor. „Ohne Rudi Dutschke und die mit seinem Namen verknüpfte Protestbewegung wäre diese Republik nicht so stabil, wie sie heute ist.“

Die CDU führt neben dem weltanschaulichen Argument auch wirtschaftliche Bedenken ins Feld. „Die Umbenennung kostet die Firmen an der Kochstraße ein Vermögen, weil sie vom Briefpapier bis zu den Karteikarten alles umstellen müssen“, sagt CDU-Sprecher Meissner. Auch müsse dann der U-Bahnhof Kochstraße umbenannt werden, was enorme Kosten nach sich ziehe.

BVV-Vorsteher Baran schlägt deshalb vor, nur den östlichen Teil der Kochstraße umzubenennen, den westlichen mit dem U-Bahnhof aber unverändert zu lassen. Der Abschnitt zwischen Charlotten- und Lindenstraße, der in den 60er Jahren neu gebaut worden ist, trägt erst seit damals den Namen des Kommunalpolitikers (Johann Jacob) Koch, der 1734 starb.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false