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Berlin: Dutschkes Charisma

Spitzenkandidat Pflüger sammelt in Kreuzberg Unterschriften gegen Straßenumbenennung

Koch-, Ecke Lindenstraße - es ist kein netter Ort in Kreuzberg, an den sich Friedbert Pflüger zum Unterschriftensammeln begeben hat. Auf dem Gehweg liegen die geschredderten Reste eines VW-Golf-Scheinwerfers, eines Kühlergrills und eines weiteren Autoscheinwerfers, mutmaßlich von einem Opel. Die sind hier vor kurzem zusammengeprallt. Der Wind pfeift – subjektiv-sibirische Temperaturen machen den CDU-Parteifreunden das Engagement gegen die Rudi-Dutschke-Straße zur Pein. Kurt Wansner, CDU-Chef von Kreuzberg- Friedrichshain, hat an die 30 Mitstreiter zusammengebracht, um an diesem kalten Ort das Bürgerbegehren gegen die Rudi-Dutschke-Straße zu beginnen. Der Bezirk will die Koch-Straße umbenennen – die CDU agitiert dagegen. 5000 Unterschriften, bis Mitte August gesammelt, könnten einen Bürgerentscheid für die Kochstraße herbeiführen.

An der Ecke haben sie einen CDU-Sonnenschirm aufgestellt. Der ist eher symbolisch zu verstehen, er sagt: Hier passiert Politik. Friedbert Pflüger, der designierte Spitzenkandidat der Berliner CDU, macht mit beim Unterschriftensammeln. Er nutzt die Kontroverse, um dem Berliner Politikbetrieb näher zu kommen. Wegen der notorischen Menschenleere des Ortes bleibt ihm zunächst nur die Diskussion mit einem Radfahrer. Der ist freundlich für die Dutschke- Straße. Pflüger erinnert freundlich daran, dass Dutschke kein Demokrat gewesen sei. „Ich will nicht die ganze Studentenbewegung in die Ecke stellen“, sagt Pflüger, er habe auch „kein eindimensionales Dutschke-Bild“ – aber dass der Studentenführer für den Parlamentarismus und gegen Gewalt gewesen sei, glaubt er bis heute nicht. Da kommt der Lokal-Chef der taz, Gereon Asmuth, zum Diskutieren. Er überreicht Pflüger eine Broschüre über Dutschke. Wansner überreicht Asmuth im Gegenzug das CDU-Flugblatt mit den Anti-Dutschke-Argumenten. Pflüger kommt ins Erzählen – zweimal habe er mit Dutschke direkt zu tun gehabt, als ganz junger RCDS-Mann. Der rhetorische Wumm des Agitators hat Pflüger wohl beeindruckt, er spricht jetzt ungebremst von Dutschkes „Charisma“. Der taz-Mann muss los. Ein Radfahrer hält, ein Kreuzberger Bürger mit verspiegelter Pilotensonnenbrille und einem Hut mit einer blauen Feder daran. Er weist empört auf den Schrott der beiden Autos. Keiner hört ihm zu. wvb.

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