zum Hauptinhalt
Am Flughafen festzusitzen ist der Albtraum jedes Reisenden.

© Christian Charisius/dpa

Easyjet-Kunden in Hannover: Gestrandete Fluggäste baten Polizei um Hilfe

Sie wollten nach Berlin-Schönefeld, doch Hunderte Fluggäste landeten stattdessen in Hannover oder Rostock - ohne Essen, Trinken und ihre Crew. Denn die fuhr mit dem Taxi nach Berlin

Von Sandra Dassler

„Kein Wasser, kein Essen, keine Decken, kein Personal und keinerlei Information, wie es weitergeht – so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt ein Mann aus dem Berliner Umland: „Und es waren ja viele kleine Kinder und auch ältere Leute dabei. Was diese Fluggesellschaften uns angetan haben, ist einfach unglaublich.“

Polizei schaltete Katastrophenschutz ein

Der Mann gehört zu Hunderten von Passagieren, deren Flugzeuge am Sonnabend in Berlin-Schönefeld landen wollten, dann aber auf die Flughäfen Rostock oder Hannover umgeleitet wurden. Dort kümmerte sich Stunden lang niemand um sie – in ihrer Not riefen einige sogar bei der Polizei an. „Wir hatten etwas weniger als ein Dutzend Anrufe“, sagte eine Rostocker Polizeisprecherin dem Tagesspiegel: „Die Menschen klagten, dass ihnen kalt sei, dass sie nichts zu trinken und zu essen hätten – wir haben dann den Rostocker Katastrophenschutz eingeschaltet.“ Der schickte dann 30 Kollegen zum Flughafen Laage, um dort Decken und heiße Getränke zu verteilen.

Kein Personal in Hannover

Noch chaotischer ging es nach Berichten von Berliner Passagieren in Hannover zu. „Die haben uns in einer Gepäckhalle abgesetzt“, erzählt eine Frau. „Haben nicht gesagt, wie es weitergeht, wann wir an unser Gepäck kommen, es war niemand da. Auch keine Crew. Erzählt wurde, dass die sich ein Taxi genommen hätten und nach Berlin gefahren seien.“
Eine Sprecherin des Flughafens Hannover bestätigt die Berichte. „Es war tatsächlich so, dass nach Mitternacht relativ zeitgleich acht Maschinen – vier von Easyjet und vier von Ryanair – nach Hannover umgeleitet wurden“, sagte sie dem Tagesspiegel: „Die konnten angeblich wegen der Unwetter nicht in Berlin und Hamburg landen. Bei uns in Hannover ist nachts sehr viel Betrieb, das heißt, wir hatten überhaupt nicht das Personal, um uns zusätzlich um acht Maschinen zu kümmern.“ Außerdem sei das Terminalmanagement erst sehr spät von den Fluggesellschaften informiert worden: „Die Crews waren tatsächlich verschwunden, und es kamen auch keine Busse aus Berlin.“

Gepäck erst um sechs Uhr morgens

Morgens um sechs Uhr habe der letzte Passagier dann sein Gepäck gehabt und weiter reisen können, sagt die Sprecherin in Hannover. Ob die Fluggesellschaften dafür Flieger oder Busse bereitstellten, wisse sie nicht. Viele Fluggäste waren wohl angesichts der Ereignisse lieber mit der Bahn in Richtung Berlin gefahren. Ein Berliner Flughafensprecher bestätigte dem Tagesspiegel, dass sechs Flugzeuge mit Ziel Schönefeld nach Hannover und Rostock-Laage ausweichen mussten. Sie kamen aus Santander, Rom, Larnaca, Rhodos, Mallorca und Kreta. „Wegen des Unwetters mussten wir am Sonnabend mehrmals die Abfertigung einstellen“, sagte der Sprecher: „Das führte zu Verzögerungen, so dass diese sechs Flugzeuge – vier von Easyjet und zwei von Ryanair – wegen des Nachtflugverbots nicht mehr landen konnten.“ Man habe immerhin eine Sondergenehmigung bis 0.30 Uhr erwirkt, so dass nicht noch mehr Passagiere betroffen waren. Bis 28. Oktober starten und landen die Flugzeuge auf der BER-Südbahn und nicht wie sonst auf der Nordbahn vom Schönefelder Flughafen, wo gebaut wird. Deshalb gilt derzeit auch in Schönefeld ein Nachtflugverbot und Flugzeuge, die nach Mitternacht dort landen sollen, werden nach Rostock-Laage umgeleitet.

Cockpit verteidigt Crew

Medienberichten zufolge hat Easyjet mit dem Flughafen Rostock einen Vertrag geschlossen. Dieser verpflichtet sich, kurzfristig Personal und Busse zu ordern, um die Easyjet-Maschinen auch nachts abfertigen und die Passagiere nach Berlin fahren zu können. Ein Fluggast in einer betroffenen Maschine berichtete, dass die Landung in Rostock von Anfang an geplant gewesen sei und nichts mit den Unwettern zu tun hatte: „Es war klar, dass wir bis 0:00 Uhr nicht den Flughafen erreichen werden. Wir wurden erst während des Fluges vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Auf jeden Fall würde eine Flugzeugcrew nicht ohne ausdrückliche Genehmigung ihrer Fluggesellschaft die Passagiere verlassen und mit dem Taxi nach Berlin fahren, sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Markus Wahl, dem Tagesspiegel: „Schon allein deshalb, weil sie das Geld dafür nie wieder bekommen würden. Aber ernsthaft: die haben sicher die Anweisung erhalten, nach Berlin zu fahren, um dort am nächsten Tag wieder ihren Dienst antreten zu können.“

Nachtflugverbot überdenken!

Weder Easyjet noch Ryanair waren am Sonntag für den Tagesspiegel für eine Stellungnahme erreichbar. Cockpit-Sprecher Wahl wundert das nicht. Die Crew dagegen konnte davon ausgehen, dass sich ihre Airline um die Fluggäste kümmert, sagt er. Und fordert angesichts der Vorfälle in Rostock und Hannover eine Relativierung des Nachtflugverbots: „Zumindest bei Wetter-Katastrophen, die ja nun nicht täglich vorkommen, sollte es Ausnahmeregelungen geben.“

Zur Startseite