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Berlin: Eckehard F. H. Willems (Geb. 1942)

Er war nicht der Feurigste. Aber der Eifrigste, wenn etwas herzurichten war

Die Damen, die sich versammelt hatten, dieses Mannes zu gedenken, waren sich einig: Herr Willems war der Beste. Er hatte einfach alles, was ein Mann braucht: eine Werkbank, eine Leiter, Transportrollen zum Bewegen schwerer Dinge, und diverse Depots, in denen er Materialien der unterschiedlichsten Art hortete, so dass im Ernstfall immer etwas zur Hand war.

„Herr Willems, ich hab da ein Problem!“ – „Na, dann wollen wir mal sehen!“, sprach er und verschwand in den Keller, wo er seine Werkstatt eingerichtet hatte. Zuweilen hörte man dann ein Klirren, Klimpern, Rumpeln, aber nach einer Weile kehrte er wieder, und nie, so gut wie nie, kehrte er ohne das nötige Teil zurück.

„Dann wollen wir das mal in Ordnung bringen.“ Gelernt ist gelernt. Herr Willems hatte in einem kleinen Elektroladen in Husum als Lehrling angefangen. Aber sein Talent zur Tüftelei fiel früh auf. Er ging nach Berlin und studierte Elektrotechnik. Als Unternehmer war er nicht ganz so geschickt, der Laden für Schiffsmotoren ging pleite. Sein Partner hatte ihn reingelegt. Segeln ging Herr Willems fortan nur noch in der Freizeit.

Sein Vater war Architekt gewesen, ein Holländer, der in der Lüneburger Heide gestrandet war. Die zwei Brüder starben früh. Den einen hat Herr Willems einmal in Südamerika besucht und sich dabei eine Leberkrankheit zugezogen, an der er schließlich sterben sollte.

Im besten Mannesalter wurde er als Elektroingenieur in einer Wohnungsbaugesellschaft angestellt. Alles, was anfiel, hat er gemacht. Fahrstühle, Satellitenanlagen, Heizungsmontagen. Wenn er Bücher oder Zeitschriften las, dann Fachlektüre. Kino und Theater blieb er fern.

Ansonsten war er immer für alle da. Auch für die eine. Er war nicht der Feurigste, aber der Eifrigste, wenn es galt, etwas herzurichten. Seiner Liebsten renovierte er die Wohnung und richtete den Garten und den der Nachbarin gleich mit.

Er verstand es, sich unentbehrlich zu machen. Trennungen hat er nicht akzeptiert. Dann ließ er einfach was liegen, bevorzugt ein Werkzeug, wartete eine Weile, bis die Wogen sich geglättet hatten, und schlich sich durch die Hintertür des Herzens wieder rein. Sein Werkzeugkasten, das war die Beziehungskiste, und die Beziehungskiste war der Werkzeugkasten.

Fast 30 Jahre war er mit seiner Liebsten zusammen. Sie haben viele Reisen unternommen, aber immer in getrennten Zimmern übernachtet. Herr Willems rauchte viel und stand früh auf. Er wanderte dann stundenlang durch die Landschaft, ob in Thüringen oder Husum, und erzählte dann, welch seltsamen Tieren er begegnet war. Er fuhr auch gern stundenlang Auto, aber am liebsten, am allerliebsten tüftelte er.

Sein eigentlicher Lebensraum war der Keller, sein Altar die Werkbank. Das Durcheinander war nur ein scheinbares, für ihn war es Ordnung.

Er war ein Mensch, der immer geholfen hat und immer Zeit hatte für einen Plausch. Gern im Hausflur oder vor der Wohnungstür oder auf einen Kaffee in der Wohnung der anderen, niemals in seiner eigenen. Obwohl er gern von sich erzählte. Ob das jetzt von daheim war oder vom Segeln oder von Tante Mariechen in Holland, die ihn hatte adoptieren wollen. Aber das wollten damals die Eltern nicht, was wiederum Eckehard ihnen nie verzieh, denn er wäre gern zu seiner Tante gezogen, sich verwöhnen lassen. Er mochte Süßes, besonders gern diese holländischen Perlen, die er aufs Brot streuselte oder aufs Eis. Wenn Kuchen gebacken wurde, bekam er stets die Hälfte. Dennoch blieb er ein kleiner schmaler Kerl, aber wenn alle anderen plötzlich Rückenschmerzen hatten, weil es einen Sekretär durchs Treppenhaus zu wuchten galt, dann packte er als Erster an.

Er selbst wollte partout keine Hilfe. Zum Ende hin zog er sich zurück, wollte mit niemandem mehr reden. Ging nicht ans Telefon. Dabei war noch überall was zu tun. Die Schwellen der Wohnungstüren wollte er noch erneuern. Und die Lampen im Gang in Ordnung bringen. Und dann fiel er im Flur um, einfach so, und wurde weggebracht. Aber vielleicht, vielleicht: „Einen Moment, ich bin gleich wieder da …“

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