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Berlin: Egon Krenz: "Das ist kein politisches Urteil"

Seit sieben Jahren begleitet der 39-jährige Fachanwalt für Strafrecht, Robert Unger, den Fall Egon Krenz. Der letzte SED-Regierungschef der DDR wurde für die Schüsse an der innerdeutschen Grenze zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

Seit sieben Jahren begleitet der 39-jährige Fachanwalt für Strafrecht, Robert Unger, den Fall Egon Krenz. Der letzte SED-Regierungschef der DDR wurde für die Schüsse an der innerdeutschen Grenze zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Mit seiner Beschwerde gegen das Urteil scheiterte Krenz vergangene Woche vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit Robert Unger sprach Robert Ide.

Herr Unger, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Beschwerde Ihres Mandanten Egon Krenz einstimmig abgewiesen. Warum lagen Sie mit Ihrer Rechtsauffassung so daneben?

Die einstimmige Entscheidung der 17 Richter legt nahe, dass unsere Beschwerde in Straßburg keine Aussicht auf Erfolg hatte. An einen Menschenrechts-Gerichtshof wenden sich in der Regel Personen, deren Menschenrechte durch einen Staat verletzt worden sind, etwa Folteropfer oder zu Unrecht Inhaftierte. Egon Krenz und den anderen Beschwerdeführern wurde jedoch selbst die Verletzung von Menschenrechten zur Last gelegt. Diesen Aspekt haben wir argumentativ vernachlässigt. Das muss ich selbstkritisch einräumen.

Gibt es einen Trend hin zu mehr juristischer Verantwortung von Regierenden?

Ja, so ist es wohl. Politisch Handelnde können auf Grund dieser Entscheidung stärker zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Als politisch denkender Mensch finde ich das grundsätzlich begrüßenswert. Bedenklich finde ich die Relativierung des Rückwirkungsverbots, nach dem nur Taten betraft werden dürften, die zum Tatzeitpunkt strafbar waren. Immer häufiger geht allerdings der Einzelfall rechtlichen Grundsätzen vor. Juristisch ist das sehr problematisch.

Trotzdem läuft doch der Vorwurf der "politischen Justiz" ins Leere, oder?

Ich halte das Straßburger Urteil nicht für ein politisches Urteil. Kein Gericht ist frei von politischen Erwägungen. Ich habe früher von einer befangenen Justiz gesprochen, weil sich nur westdeutsche Richter mit Egon Krenz beschäftigt haben.

Bleiben Sie bei diesem Vorwurf?

Sicherlich hatten die deutschen Richter von Anfang an den Willen, meinen Mandanten zu verurteilen. Deshalb haben sie nicht so differenziert, wie wir das für richtig erachtet haben. Die historischen Gegebenheiten des Kalten Krieges sind so gut wie gar nicht berücksichtigt worden.

Aber europäische Richter haben die deutsche Argumentation bestätigt. Sogar der russische Vertreter hat gegen Sie gestimmt ...

Das stimmt. Die Aussage von der befangenen Justiz ist wohl nicht mehr haltbar. Den europäischen Richtern kann man nach meiner Auffassung nicht den Vorwurf der Befangenheit machen.

Herr Unger[der Europäische Gerichtshof f&uum]

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