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Berlin: Ehrenamtliche Helfer: Russisch für die Kleinen

Viel hilft viel, sagt eine Bauernregel. Bei sozialen Projekten stimmt das sogar.

Viel hilft viel, sagt eine Bauernregel. Bei sozialen Projekten stimmt das sogar. Viele Einrichtungen brauchen ehrenamtliche Helfer. Bis zum Berliner Freiwilligentag am 16. September, den der Treffpunkt Hilfsbereitschaft und der Paritätische Wohlfahrtsverband organisieren, wollen wir möglichst viele Menschen in dieser Stadt dafür gewinnen, sich als Helfer ohne Honorar zu engagieren. In den kommenden Wochen stellt der Tagesspiegel Berliner vor, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen. Sie erzählen, was sie geben wollen und was ihnen ihr Ehrenamt gibt. Die 54-jährige Erna Wormsbecher hat in der evangelischen Kirchengemeinde am Humboldthain eine Schule für Kinder von Russlanddeutschen aufgebaut.

Eines Tages fragte mich der Pfarrer: Vielleicht möchten Sie in der Gemeinde was für Ihre Leute machen? Ich hatte schon jeden Tag daran gedacht, wie ich ihn ansprechen kann. Wir mussten doch die Kinder zu uns holen, sie in Sicherheit bringen, dass sie zu Hause dem Frust der Eltern entgehen. Viele schlendern die ganzen Nachmittage und das Wochenende im Wedding herum, und manche hatten auch schon rechtsextremistische Anfälle. Zuerst war es der Kindervormittag am Sonnabend, dann wurde es eine russische Schule, mit Nachhilfe in Deutsch und Englisch, einem Deutsch-Kurs für Erwachsene, Aerobic für die Frauen.

Ich habe noch ein paar Kolleginnen angesprochen, eine Russischlehrerin, eine Tanzlehrerin, eine Englischlehrerin. Einige bekam ich auch über die Spätaussiedler-Ehrenamtlichen-Börse vom Deutsch-Russischen Austausch. Ich bin selber Aussiedlerin und habe fünf Kinder. Alles habe ich durchgemacht, was auch sie durchmachen. Alle Probleme mit der Schule, mit der Ausbildung, mit der Arbeit. Als fast 50-jährige Deutschlehrerin kam ich 1995 aus Sibirien nach Berlin. Ich wusste, dass ich kaum Chancen auf Arbeit hatte. Viele von uns, auch die mit akademischer Ausbildung, arbeiten als Putzfrau. Mein Mann ist Programmierer und macht eine Umschulung - als Programmierer. Gleich, als ich herkam, habe ich in einer privaten russischen Schule in Karlshorst gearbeitet. Nach einem Jahr schloss sie. Die deutschen Behörden erkennen unsere Abschlüsse nicht an. Das Arbeitsamt lehnte eine Umschulung ab: zu viele Kinder, zu alt.

Meine Arbeit in der Gemeinde wurde zwischendurch vom Bezirksamt bezahlt. Jetzt bekomme ich wieder kein Geld, mache aber weiter. Ich sagte mir, ich kann das doch nicht fallen lassen, wo so viele Kinder kommen. Die anderen Lehrer denken genauso. Wir fühlen uns doch verantwortlich, weil wir sie schon einmal entwurzelt haben. Und wir sind doch wegen der Zukunft unserer Kinder hergekommen.

Russisch?, fragte der Gemeindekirchenrat. Ihr wollt doch Deutsche sein, deshalb seid ihr doch hier. Ich erkläre immer wieder: Aus psychologischen Gründen ist die russische Sprache sehr wichtig. Fast alle Familien sind gemischt. Wenn die russischen Väter oder Mütter die gemeinsame Sprache mit den Kindern verlieren, ist das ganz schlimm. Deutsch lernen die Kinder sehr schnell akzentfrei. Wenn sie Nachhilfe brauchen, dauert es höchstens ein Jahr. Und meistens werden sie dann auch noch die besten Schüler an ihren deutschen Schulen. Ich bin so zufrieden mit meiner Arbeit.

Viel hilft viel[sagt eine Bauernregel. Bei sozial]

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