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Berlin: "Eierschale": As Time goes by...

Mit Jazz in Dahlem ist es vorbei. Die "Eierschale" in der Podbielskiallee 50 ist geschlossen.

Mit Jazz in Dahlem ist es vorbei. Die "Eierschale" in der Podbielskiallee 50 ist geschlossen. "Der Pächter möchte den Vertrag auflösen", bestätigt Finanzstadtrat Klaus-Peter Laschinsky (SPD). Offenbar sei die Konkurrenz für das einst boomende Jazz-Lokal vor allem aus dem Bezirk Mitte zu stark geworden. Für die landeseigene Immobilie werde im kommenden Jahr ein Käufer gesucht, möglichst ein Gastronom.

"Es ist ein Jammer", meint Hans-Wolf Schneider, der als Student und Posaunist die "Eierschale" in einer Kriegsruine am Rathaus Schöneberg gegründet hat, "das war eine Institution". Anfangs hieß das mit Eierverpackungen und Jutesäcken isolierte Kellerlokal noch "Kajüte". Der Name "Eierschale" entstand ganz profan: Schneider sah in der Küche jemandem beim Eierpellen zu, da kam ihm die Erleuchtung. 1956 zog die Jazz-Kneipe in einen Keller am Breitenbachplatz. "Es war eine wilde Zeit", erinnert sich der heute 71-Jährige. Jazz-Größen wie Louis Armstrong, Duke Ellington und Ella Fitzgerald gaben während der 50er Jahre Gastspiele in dem Keller. Man tanzte im so genannten "Rührstil": Weil es so eng war, schufen die Besucher eine Bewegungsform, bei der sie mit den Armen in der Luft ruderten und ansonsten stehen blieben.

Seit 1977 befindet sich die "Eierschale" in dem Dahlemer Landhaus. Dort war es zwar mit der Keller-Atmosphäre vorbei, aber dafür konnten sich auf 350 Quadratmetern rund 1000 Leute pro Abend drängeln. An der Gedächtniskirche wurde ein Ableger gegründet, nach dem Fall der Mauer entstand eine dritte "Eierschale" in Treptow. Sinkende Einnahmen führten jedoch seit einigen Jahren dazu, die Zahl der Live-Auftritte immer mehr einzuschränken. Nach Angaben der "Eierschale Veranstaltungs-GmbH" war es nicht mehr bezahlbar, jeden Abend rund 3000 Mark für eine Band auszugeben. Nur noch am Wochenende war seit 1999 Live-Musik zu hören, an den anderen Tagen lief Musik aus der Konserve. Anstatt jedoch aus den roten Zahlen zu helfen, schien diese Änderung des Konzepts den Niedergang der "Eierschale" nur zu beschleunigen. Vor sechs Monaten hatte der Pächter nach 30 Jahren aufgehört. Seitdem warten die Angestellten, überwiegend Studenten, auf ihren Lohn. Wer nun ihr Chef war, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Der geschäftsführende Gesellschafter der "Eierschale GmbH", der Rechtsanwalt Claus-Dieter Conrad, war gestern nicht zu sprechen. Im Büro der "Eierschale" meldet sich niemand - kein Wunder, denn die Schlösser sind ausgewechselt, die Mitarbeiter kommen nicht mehr hinein. Ohne Ankündigung hat die "Eierschale" dichtgemacht.

"Traurig", sagt Schneider, der sein Lokal Ende der 60er Jahre verkaufte und nun in einem Dorf bei Freiburg wohnt, "der Jazz erlebt heute gerade bei Jüngeren eine Renaissance." Doch der Musiker nimmt es philosophisch: "Alles kommt in Wellen - der Jazz und die Kunst ebenso wie das Leben."

kört

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