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Berlin: Ein Anliegen und viele Gegner

Die Initiative „Bürger gegen den Bankenskandal“ fühlt sich von der Presse unterdrückt

Die Initiative „Bürger gegen den Bankenskandal“ hat eine ganze Reihe von Feinden. Verständlich, denn am Zustandekommen der Affäre waren viele Personen und Institutionen beteiligt. Doch jetzt zählt offenbar auch der Tagesspiegel zu diesen Feinden, obwohl er einen maßgeblichen Beitrag zur Aufdeckung eben dieser Affäre geleistet hat.

Das kam so: Die Initiative um FU-Professor Peter Grottian legte Tagesspiegel und Berliner Zeitung im Februar eine Anzeige vor, die unter anderem die Namen der verantwortlichen Bankmanager und ihre mutmaßlichen aktuellen Gehälter und Pensionen nannte. Beide Zeitungen lehnten die Annahme ab, weil sie darin einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte sahen, für den auch sie selbst verantwortlich gewesen wären. Auf der Website der Grottian-Initiative heißt es jetzt über den „unerhörten Vorgang“: „Der Persönlichkeitsschutz muss zurückstehen hinter dem öffentlichen Interesse im Zusammenhang mit dem größten Bankenskandal der Bundesrepublik Deutschland. Wir bitten um Ihre Mithilfe, diese Tatsache bekannt zu machen, ggfs. ökonomischen Druck auszuüben und damit die Informationsfreiheit zu verteidigen.“ Variante auf einem Flugblatt: „Überlegen wir uns, für welche Zeitungen wir Geld ausgeben.“ Kurz: Die Initiative maßt sich das Recht an, selbst zu definieren, unter welchen Umständen Persönlichkeitsrechte missachtet werden dürfen, und sie wünscht dieses Ziel ggfs. per Kaufboykott durchzusetzen. Ein neues Flugblatt insinuiert sogar den abwegigen Verdacht, die beiden Verlage handelten unter politischem Druck. Übrigens hat der Tagesspiegel jetzt Kreibich den Abdruck der Anzeige angeboten, wenn er die zivil- und presserechtliche Verantwortung übernimmt.

Im Internet ist auch ein Brief Kreibichs an eine Tagesspiegel-Redakteurin zu finden, in dem er eine Stellungnahme offeriert. Was darin nicht steht: Für die Rubrik „Pro und Contra“ hatten wir Senator Sarrazin sowie Kreibich/Grottian um eine Positionsbestimmung in je 60 Zeilen gebeten. Sarrazin lieferte, Kreibich lehnte ab und erklärte, er brauche dafür mindestens eine halbe Zeitungsseite. Das war unmöglich, aber wir druckten daraufhin Auszüge aus älteren Veröffentlichungen der Initiative, um deren Position überhaupt im Blatt zu haben.

Diese Haltung insgesamt ist besonders deshalb überraschend, weil die Initiative ja den Inhalt ihrer Website überwiegend mit Presseausschnitten bestückt, die zum großen Teil aus dem Tagesspiegel stammen. Auch ein besonders plakatives Link auf der Website der „Bürger gegen den Bankenskandal“ bezieht sich auf unsere Zeitung: „66 Prozent aller Berliner für Insolvenz“ heißt es dort; abgebildet ist unsere Meldung vom 24.Februar mit dem Ergebnis der Pro-und-Contra-Telefonaktion. 66 Prozent der Anrufer waren für die Insolvenz. Wer aus diesem völlig unrepräsentativen Stimmungsbild die Aussage „66 Prozent aller Berliner…“ macht, ignoriert die Grundbegriffe der Sozialforschung.

Wie manipulativ die Initiative argumentiert, zeigt auch dies: Auf einem Grottian-Flugblatt wird (zutreffend) dargestellt, dass der Saal 700 des Moabiter Kriminalgerichts, in dem gegen Wienhold und Neuling verhandelt wird, ungefähr 80 Plätze hat, von denen 35 für die Medien reserviert sind. Mit diesem „kleinen Raum“, so heißt es weiter, werde die Öffentlichkeit „weitgehend ausgeschlossen“ und das Recht der Bürger auf eigene kritische Urteilsbildung „systematisch verhindert“. Richtig ist: Saal 700 ist der größte Saal, den es in Moabit gibt. Zum gestrigen Prozessauftakt blieb etwa die Hälfte der Zuschauerplätze leer.

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