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Berlin: Ein Denkmal, das niemand will - Holländische Initiative will an Marinus van der Lubbe erinnern

Das Land Berlin und der Reichstag wollen ihn nicht, den Gedenkstein für den Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe. Doch die Amsterdamer Stiftung "Ein Grab für Marinus van der Lubbe" gibt so schnell nicht auf: Am 27.

Das Land Berlin und der Reichstag wollen ihn nicht, den Gedenkstein für den Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe. Doch die Amsterdamer Stiftung "Ein Grab für Marinus van der Lubbe" gibt so schnell nicht auf: Am 27. Februar wollen Martin Schouten, der Vorsitzende der Stiftung, und seine Mitstreiter mit einem Bus nach Berlin fahren - und den Stein des Anstoßes auf einem Anhänger gleich mitbringen. "Jeder Berliner kann sich dann selbst eine Meinung bilden", so Schouten gegenüber dem Tagesspiegel. Ohne Genehmigung wolle man den Stein aber nicht am geplanten Standort Reichstag aufstellen, sondern lediglich an verschiedenen Orten der Stadt zeigen.

Marinus van der Lubbe wurde von den Nazis als Brandstifter verurteilt und hingerichtet. Seit Jahrzehnten streiten Historiker darüber, ob van der Lubbe am 27. Februar 1933 den Reichstag aus Protest gegen die Nazis angesteckt hat oder ob die SA das verheerende Feuer inszenierte. "Wir wollen kein Heldendenkmal, mit dem van der Lubbe verehrt wird, und auch kein Mahnmal. Es soll nur ein kleiner Ort der Erinnerung sein, über den man sich vielleicht ein paar Gedanken macht - oder auch nicht", erläutert Martin Schouten. Die Stiftung will zum Nachdenken über individuelle Verantwortlichkeit anregen - doch ohne das Ergebnis vorwegzunehmen: den Betrachtern soll die Freiheit gelassen werden, die Tat selbst zu deuten. Was Schouten an dem Menschen van der Lubbe fasziniert, ist die Frage, "wie ein Einzelner eine katastrophale gesellschaftliche Bewegung abwenden kann".

In den Niederlanden findet die Stiftung breite Unterstützung, so vom früheren Leidener Bürgermeister, von der Präsidentin des niederländischen Parlaments und von der Regierung. Auch in Leipzig wurde das Kunstprojekt im vergangenen Jahr sehr positiv aufgenommen. Bei den Berliner Behörden stieß das Vorhaben jedoch auf Widerstand. Der Bundestag lehnte eine Entscheidung ab, da der Außenbereich des Reichstags in die Verantwortung des Landes Berlin falle. Der Kunstbeirat des Bundestages hat darüber hinaus schon beschlossen, eine Tafel anzubringen, die über den Reichstagsbrand informieren soll. Dies werde "in absehbarer Zeit" geschehen, sagte eine Sprecherin des Bundestages. Auch beim zuständigen Bezirk Tiergarten steht man dem geplanten Gedenkstein ablehnend gegenüber: "Wir haben schon das Denkmal für die ermordeten Reichstagsabgeordneten und die Mauerkreuze - das reicht. Dieser Bereich sollte nicht mit Denkmälern überfrachtet werden", sagt Baustadtrat Horst Porath (SPD).

Die Frage, ob ein solches Denkmal inhaltlich sinnvoll ist, wurde an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur weiter verwiesen - und hier spricht man deutliche Worte. "Im Kontext der deutschen Geschichte gibt es nicht den leisesten Grund, diesem Mann ein Denkmal zu setzen", betont Dr. Ekkehard Klausa, Gedenkstättenreferent in der Senatsverwaltung für Kultur. Der von "wirren Ideen" geleitete van der Lubbe habe mit seiner Tat "großes Unheil angerichtet" - gemeint ist die bereits am nächsten Tag folgende Verhaftung von Oppositionellen. Es handele sich bei der Brandstiftung um eine Tat, die "kriminellen Charakter" habe, betont auch Abteilungsleiter Dr. Ulrich Klopsch. In Absprache mit der Senatskanzlei entschied man sich daher, das Projekt abzulehnen. Ein solcher Gedenkstein "erschiene der Öffentlichkeit als Billigung der Brandstiftung, so als wäre die Tat des Marinus van der Lubbe als exemplarischer Akt des Widerstandes zu würdigen", heißt es zur Begründung in einem Schreiben an die Stiftung.

Martin Schouten ist von diesen Argumenten nicht überzeugt. Er betont die Mehrdeutigkeit des Kunstwerks und die Freiheit der Interpretation, die jedem Einzelnen überlassen bleibe. Außerdem fragt Schouten, ob man wirklich van der Lubbe für die katastrophalen Folgen des Reichstagsbrandes verantwortlich machen könne. Verärgert ist er auch über die telefonische Auskunft, der Stein wäre in Berlin nirgends erwünscht. In Holland sei man inzwischen "ein bisschen böse auf Berlin", berichtet Schouten. Die überregionale Zeitung "Volkskrant" habe bereits über den Streit berichtet. Anders als in Leipzig sehe sich die Stiftung in Berlin mit einer "geradezu provinziellen Atmosphäre" konfrontiert. Dem wollen die Stiftungsmitglieder nun mit ihrer originellen Aktion begegnen, indem sie den Stein, der zur Zeit im Amsterdamer Widerstandsmuseum gezeigt wird, nach Berlin bringen. Ziel ist es, eine öffentliche Diskussion in Gang zu bringen. Drei Steine für den Brandstifter

Der Gedenkstein, der einen Meter lang, einen halben Meter breit und siebzig Zentimeter hoch ist, wurde von den Künstlern Ron Sluik und Reinier Kurpershoek den Steinen des Reichstags nachempfunden. Das gesamte Kunstwerk besteht aus weiteren Steinen am Grab van der Lubbes auf dem Leipziger Südfriedhof sowie an seinem Geburtshaus in Leiden. Der von den Initiatoren gewünschte Standort für den Berliner Stein liegt auf der Westseite des Reichstags unter einem Fenster rechts von der Haupttreppe. "Das ist in der Nähe der Stelle, an der van der Lubbe 1933 in den Reichstag einstieg", erläutert Martin Schouten.

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