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Berlin: Ein Deutscher unter Türken

Timur Husein macht in Kreuzberg Wahlkampf für die Union – er ist Vorsitzender der bezirklichen CDU-Jugendorganisation

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Früher verteilte die Junge Union in Kreuzberg Aufkleber, auf denen stand: „Deutschland muss wieder erkennbar sein.“ Heute heißt der Kreisvorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation – Timur Husein. Die Mutter stammt aus Kroatien, der Vater aus der Türkei und ist vor ein paar Jahren aus der SPD ausgetreten, weil er die zunächst strikt pazifistische Haltung der Partei im Bosnienkonflikt nicht akzeptierte. Die Diskussionen hätten ihn politisiert, sagt Husein junior. Mit 17 Jahren stieß er zur Jungen Union. „Meine Mutter ist ’ne Linke; ich bin konservativ.“

Also macht er Wahlkampf für die CDU in Friedrichshain-Kreuzberg, und an den Info- Ständen am Kottbusser Tor wundern sich die Leute, wenn er mit ihnen türkisch spricht. Das kommt gut an. Am vergangenen Wochenende war der CDU-Kreischef Kurt Wansner, der als Wahlkreiskandidat für den Bundestag antritt, gleich mit vier türkisch- stämmigen Parteifreunden unterwegs. „Ausländerfeindlichkeit gibt es hier doch kaum noch“, sagt Wansner. „Eher haben die Deutschen gewisse Probleme.“

Wenn Timur Husein frühmorgens vor den Schulen CDU-Flugblätter verteilt, geht er trotzdem lieber nach Friedrichshain. Obwohl die Union dort noch mehr auf verlorenem Posten steht als in der rot-grünen Hochburg Kreuzberg. „In Friedrichshain sind die Schüler freundlicher; die lesen sich die Infos wirklich durch oder geben die Faltblätter zurück, ohne sie vorher zu zerreißen.“ In Kreuzberg sind die Sitten rauer, und die Jungunionisten werden als Ausländerfeinde oder Rassisten beschimpft. Manche CDU-Gegner sind dann aber doch verdutzt, wenn Husein seine Herkunft zu erkennen gibt.

Ein Deutscher ausländischer Herkunft. Na klar, das sei schon korrekt, sagt er. „Aber eigentlich bin ich ein Kreuzberger Junge.“ 22 Jahre alt, Jurastudent an der Humboldt-Universität. In Kreuzberg hat er die Grundschule besucht und am Leibniz-Gymnasium das Abitur gemacht. Für den RCDS sitzt er im Studentenparlament. Den Wehrdienst hat Husein beim Jägerbataillon 1 in Berlin abgeleistet und war Mitglied bei der Freiwilligen Polizeireserve, die von Rot-Rot aufgelöst wurde. Dem Deutsch-Türkischen Forum gehört er an, und wenn noch Zeit ist, geht der junge Mann mit den kurzen, schwarzen Haaren auf Partys und in Clubs oder spielt Tischtennis. Schlaksig ist er, hochgewachsen, und weiß manchmal nicht, wohin mit den langen Armen. Seit einem Jahr hat er eine eigene Wohnung, besucht aber noch gern die Eltern – zum Essen und Erzählen. „Es gibt Abende, da wird viel diskutiert, und ein bisschen stolz sind sie schon auf mich.“

Ein fleißiger Jungfunktionär. Trotzdem ist Wahlkampf harte Arbeit für einen Studenten, wenn man um sechs Uhr aufstehen muss, um für den CDU-Direktkandidaten Wansner Werbung zu machen – ohne große Aussicht auf Erfolg. Das Rennen wird der SPD-Kreischef Andreas Matthae oder der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele machen. Kurt Wansner ist rechter Flügelmann der Union. „Bei den Schulproblemen und der Drogenpolitik blicken die Ausländer oft besser durch als die Deutschen“, sagt er, die konservativen, traditionalistischen Türken fest im Visier.

„Der Kurt ist in Ordnung“, lobt Timur Husein. Er spult die Themen ab, mit denen die CDU bei den Wählern, die türkisch sprechen, punkten kann: Familienpolitik, Schulpolitik, Drogenpolitik. „Für die Türken ist die Familie heilig.“ Die richtige Familie, fügt er hinzu. „Mit Vater, Mutter, Kind.“ Das größte Problem in Berlin sei, dass 40 Prozent der türkischen Jugendlichen keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz hätten, und das liege nicht zuletzt daran, „dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind“. Und: Fixerstuben seien bei den Ausländern besonders verpönt. Es sei kein Zufall, sagt Husein, dass die Union mit ihren eindeutigen Aussagen zu diesen Themen rund um das Kottbusser Tor gute Wahlergebnisse erziele.

Trotzdem ist es manchmal frustrierend, für die CDU in Friedrichshain-Kreuzberg Politik zu machen. Husein leitet den kleinsten Kreisverband der Jungen Union in Berlin. Mit knapp 90 Mitgliedern, davon zwei in Friedrichshain. In vielen Wahllokalen des Bezirks können die Christdemokraten nur mit einstelligen Ergebnissen rechnen. Der Nachwuchsmann trägt es mit Fassung. „Viel Feind’, viel Ehr’.“ Immerhin kam der CDU-Ortsverband Oranienplatz, in dem neben Husein auch der Moderator des Türkisch-Deutschen Kabelkanals TD 1, Dursun Yigit, im Vorstand sitzt, bei der Bundestagswahl 1998 auf Ergebnisse zwischen 27 und 32 Prozent.

Das sind Stadtquartiere, in denen „nur“ jeder dritte bis vierte Bewohner ausländischer Herkunft ist. In jenen Kreuzberger Kiezen, in denen die deutsche Bevölkerung in die Minderheit gerät, ist die CDU eher eine Randerscheinung. „Aber die Ausländer gehen jetzt weg von den Grünen und auch die SPD hat keinen großen Zulauf mehr“, behauptet Wansner. Jedenfalls sind die „eingedeutschten“ Türken für die CDU ein Ansprechpartner geworden, der Stimmen bringen kann. Etwa 300 gehören dem CDU-Landesverband an. Auch der Chef der Türkischen Gemeinde in Berlin, Taccidin Yatkin, ist Christdemokrat. In Kreuzberg.

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