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Berlin: Ein Edel-Bistro mit kulinarischen Mainstream, leicht-klassisch, mit mediterranen und asiatischen Tupfern

Kronenstraße 55-58, 10117 Berlin-Mitte, Tel. 2045 5496, geöffnet: täglich von 12-15 und ab 18 Uhr, sonntags geschlossen, Kreditkarten: alle gängigenBernd Matthies Wir Berliner Restaurantkritiker sind gegenwärtig in einer seltsamen Lage.

Kronenstraße 55-58, 10117 Berlin-Mitte, Tel. 2045 5496, geöffnet: täglich von 12-15 und ab 18 Uhr, sonntags geschlossen, Kreditkarten: alle gängigenBernd Matthies

Wir Berliner Restaurantkritiker sind gegenwärtig in einer seltsamen Lage. Wird der Küchenchef, den wir in seinem Restaurant besuchen wollen, an diesem Tag noch im Amt sein? Falls ja: Wird er möglicherweise vor dem Hauptgang gefeuert? Oder falls auch das nicht geschieht: Steht er noch am Herd, wenn der Bericht über seine Arbeit gedruckt ist? Man muß höllisch aufpassen und möchte am liebsten beim Radio sein, denn da läßt sich das Risiko notfalls durch eine Live-Sendung minimieren.

Volker Drkosch ist seit knapp zwei Monaten Küchenchef im brandneuen "Portalis" und damit schon fast ein alter Hase in Berlin. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Niemand redet von seiner Ablösung, und es gäbe auch keinen Grund, denn er leistet gute Arbeit. Sein Hauptproblem dürfte darin liegen, daß das Restaurant eine Filiale des "Tantris" in München ist und deshalb natürlich von weltläufig sein wollenden Gästen ständig damit verglichen wird - was nicht nur wegen der kurzen Anlaufzeit unsinnig ist. Denn schon die tiefer angesiedelten Preise und der gebremste Einsatz von Luxus-Viktualien verraten deutlich, daß wohl eher ein Edel-Bistro beabsichtigt ist. Ja, und die Einrichtung ebenfalls: modern, technisch, viel Holz, ein wenig gesichtslos.

Um auch das gleich noch abzuhandeln: Die Weinkarte ist ebenfalls bistro-like mit einem sehr knappen, günstig kalkulierten Sortiment, das trotz guter Namen nur bei französischen Weinen als ausreichend gelten kann; nehmen wir mal an, daß sich das noch regelt. Wir tranken steirischen Pinot Blanc (Schneckenkogler, 1996, 42 Mark) und 89er Giscours, die halbe Flasche für 70 Mark, und waren mit der Wahl zufrieden. Einige gute offene Weine gibt es für sehr preiswerte neun Mark (0,2 l).

So, und nun das Essen. Fünf Gänge mit Wahlmöglichkeit bei zwei Gängen sind für 112 Mark zu haben, drei um die 75, à la carte kosten Hauptgänge um 40 Mark. Das ist es wert. Denn für höhere Weihen fehlt eigentlich nur ein deutlicher erkennbarer eigener Stil und der Mut zum entschlosseneren Würzen, der manche Blaßheit aus der Welt geschafft hätte. Drkosch kocht bislang wenig wagemutig mitten im kulinarischen Mainstream, leicht-klassisch, mit mediterranen und asiatischen Tupfern. Die gebackene Kalbsleber mit köstlicher Backpflaumensauce, als Häppchen vornweg gereicht, ließ einen möglichen Weg erkennen. Am besten gefiel uns die Hummer-Paprika-Suppe mit Kürbisravioli, üppig mit sehr zartem Hummerfleisch ausstaffiert. Sehr gelungen auch der Rochenflügel auf Auberginen-"Kaviar", der uns tatsächlich den Duft mediterraner Gewürze, vor allem sehr gutes Olivenöl, auf den Teller fächelte.

Olivenaromen durchzogen auch den sekundenpräzise gebratenen Lammrücken (prima Fleisch!) mit Fenchel, eher treudeutsch-bürgerlich fiel dagegen der Hirschrücken mit Rotkohl und Kartoffelknödel aus, der bei aller handwerklichen Sorgfalt den richtigen Kick dann doch vermissen ließ. Die Vorspeisen, à la mode auf Glastellern serviert, zeigten eine etwas größere Bandbreite: Bei den gebratenen Jacobsmuscheln mit einer kleinen Fischterrine und Salat ließ ganz leise der ferne Osten grüßen, und bei der Kaninchenterrine mit Shiitake-Pilzen und Schwarzwurzeln (plus einem winzigen gebratenen Rückenstück) freuten wir uns über die unorthodoxe Kombination. Die Desserts wirkten noch etwas unschlüssig. Die Feigentarte sauber gemacht, mit angenehm dünnem Teig; die kräftig mit Zitronenschale gewürzten Quarknocken aber gingen mit dem Bratapfeleis und Apfelscheiben keine überzeugende Verbindung ein.

Gebracht wird das alles von einem freundlich zugewandten Service, der noch mit kleinen organisatorischen Problemen zu kämpfen hat. Das sind aber unwesentliche Einwände gegen ein vielversprechendes Restaurant, das sich in der Gegend um den Gendarmenmarkt als lässigere Alternative zu "Vau" und "Four Seasons" etablieren sollte. Hoffen wir, daß es nicht so bald ans berüchtigte Berliner Personalkarussell angeschlossen wird.

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