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Berlin: Ein Geburtstag ohne Lust am Feiern

Vor einem Jahr rief Klaus Wowereit im Hotel Maritim 300 Genossinnen und Genossen zu: „Ich sage euch was zu meiner Person: Ich bin schwul und das ist auch gut so. Ich habe nie schwule Politik gemacht, sondern als Schwuler Politik".

Vor einem Jahr rief Klaus Wowereit im Hotel Maritim 300 Genossinnen und Genossen zu: „Ich sage euch was zu meiner Person: Ich bin schwul und das ist auch gut so. Ich habe nie schwule Politik gemacht, sondern als Schwuler Politik". Frenetisch dankten die Berliner Sozialdemokraten ihrem frisch gekürten Spitzenkandidaten. Standing ovations für den Hoffnungsträger der SPD. Das Zitat ging um die Welt, und eine Woche vor der Ablösung von Eberhard Diepgen als Regierender Bürgermeister hatten sich die Sozialdemokraten im Maritim an der Friedrichstraße in Aufbruch-Euphorie geputscht.

Im Maritim will sich die SPD auch am kommenden Sonntag wieder ein kleines bisschen feiern – schließlich hat der Vorsitzende den Parteitag nicht nur wieder in jenes Hotel, sondern auch gleich noch auf den Jahrestag des Machtwechsels, den 16. Juni gelegt. „Am 16. Juni ist Klaus Wowereit ein Jahr Regierender Bürgermeister“, erinnert Peter Strieder, „die Koalition hat Tritt gefasst“. Auf dem Landesparteitag wolle die SPD jetzt ihre Rolle „als führende Partei in der deutschen Hauptstadt deutlich machen“.

Konfetti oder Hymnen jedoch hat die Parteitagsregie nicht vorgesehen. Ein Auftritt von Klaus Wowereit, der Erinnerungen wecken könnte, ist ebenfalls nicht Teil der offiziellen Tagesordnung – auch wenn er dem Parteitag als Gast beiwohnen wird. Der Mentalitätswechsel verlangt auch von den Genossen Disziplin. Und nicht wenige unter den Delegierten des Parteitags spüren nach einem Jahr SPD-geführter Regierung einen leichten Katzenjammer.

Vor dem Motto des SPD-Bundesparteitags „Erneuerung und Zusammenhalt“, der blauen Wand mit der weißen Schrift, will sich die Berliner SPD am Wochenende trotz aufkeimender Zweifel dennoch als Partei der Geschlossenheit präsentieren. Peter Struck, der SPD-Fraktionschef im Reichstag soll auf die Bundestagswahl einstimmen. Und bei der turnusmäßigen Wahl kandidiert nur einer für den Vorsitz: der Amtsinhaber Peter Strieder. Die Kreisdelegiertenversammlungen haben ihn nominiert. Zum Teil aus Überzeugung, dass er der Beste ist. Zum Teil, weil es ohnehin keinen Gegenkandidaten gibt.

Auch beim restlichen Vorstand wird wohl alles beim Alten bleiben. Für die zwei Männerplätze kandidieren die bisherigen Stellvertreter Andreas Matthae und Sven Vollrath. Nur für die beiden Frauenplätze stehen drei Bewerberinnen auf der Liste. Die beiden amtierenden Stellvertreterinnen Christine Bergmann und Annette Fugmann-Heesing und dazu noch Gerlinde Schermer. Schermer ist die Kandidatin des linken Parteiflügels, der sich im Donnerstagskreis sammelt – ihr werden geringe Chancen eingeräumt, die Bundesfamilienministerin oder die ehemalige Finanzsenatorin zu verdrängen.

Der Parteitag und die anstehenden Vorstandswahlen kommen trotz lauter werdender Kritik an der Arbeit des Senats für die Parteiführung nicht zur Unzeit. Strieder kann an das, was bereits geschafft ist, erinnern und ein wenig Einsicht zeigen. „In den letzten beiden Jahren haben wir mit großer Geschlossenheit einen großen Schritt getan“, lobt er sich und die Partei . „Jetzt tragen wir die Verantwortung in Berlin. Aber klar ist auch, gemessen werden wir nicht daran, ob wir die Große Koalition beendet haben, sondern daran, was wir daraus machen.“

Nicht nur der Senat, auch der Landesvorstand musste in der Vergangenheit Kritik einstecken. Ein innerparteilich gerügtes Papier des Vorstandes „die SPD auf dem Weg zur Hauptstadtpartei“ wird auch auf dem Parteitag umstritten sein. Die Genossen reiben sich weniger an der inhaltlichen Ausrichtung, als an formalen Fragen. So schlägt die Parteiführung die Abkehr von den Bezirkslisten bei Wahlen hin zu einer Landesliste vor. Viele Kreise befürchten eine Beschneidung ihres Einflusses. Eine Generaldebatte allerdings steht wohl nicht an. Das Papier ist nur eine Debattenvorlage, ein Beschluss dazu ist nicht in Sicht. Auch zu anderen Anträge erwartet die Parteiführung keine Grundsatzdebatten. Barbara Junge

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