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Berlin: Ein Geschenk mit Vergangenheit

Zürich lehnte Flicks Kunst-Collection ab, Berlin greift zu: Darf die Stadt eine solche Sammlung annehmen? Ein Pro & Contra

Ganz unbürokratisch sei seine Sammlung in Berlin aufgenommen worden, freut sich Friedrich Christian Flick. Bedenken in der Jüdischen Gemeinde, rühmt sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, habe man in aller Stille ausräumen können. Und so wird der Kunstschatz, den der heute 58-jährige Flick mit den Anteilen an den Unternehmen seines Großvaters kaufte, ab 2004 für mindestens sieben Jahre in Berlin zu sehen sein. Flick Juniors dreistelliges Millionenvermögen allerdings stammt teilweise aus der Zeit des Nationalsozialismus. Flick-Unternehmen waren führend in der Rüstungsproduktion für Hitlers verbrecherischen Krieg und profitierten von der Sklavenarbeit ungezählter jüdischer und osteuropäischer Zwangsarbeiter. Deshalb hatte Zürich das Angebot des Wahlschweizers Flick 2001 nach einer erbitterten öffentlichen Debatte abgelehnt.

Und Berlin? Genießt man ungetrübt die Vorfreude auf Flicks großartige Galerie der Gegenwartskunst, für die der Mäzen die Rieck-Halle neben dem Hamburger Bahnhof herrichten lässt? Nein, sagt Moishe Waks, stellvertretender Vorsitzender und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde. Man schlucke wegen der Herkunft des Geldes – und freue sich trotzdem auf die „hervorragende Sammlung“. Senat und Preußischer Kulturbesitz hätten es aber versäumt, „innezuhalten, nachzudenken und zu diskutieren“, bevor sie die Flicksche Leihgabe annahmen. Im Übrigen: Die klärenden Gespräche mit der Gemeinde seien so still geführt worden, dass er davon nicht einmal etwas erfahren habe.

Der Schriftsteller Peter Härtling, Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin, begrüßt die Sammlung mit „zwiespältigen Gefühlen“. Härtling gehörte im Juni 2001 zu den Unterzeichnern eines Aufrufs deutscher und Schweizer Intellektueller, der die Flick-Collection für Zürich schließlich unmöglich machte. Damals protestierten auch der Regisseur Christoph Marthaler und Schriftsteller wie Günter Grass und Akademie-Präsident György Konrad gegen Flicks Weigerung, sich an der Stiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter zu beteiligen.

Flick wolle sich „durch Berufung auf seine private Kunstsammlung“ seiner Verantwortung als Erbe entziehen, hieß es in dem Aufruf. Tatsächlich hält Flick Kritikern entgegen, dass er sich seiner historischen Verantwortung stelle, indem er Künstler der Sechziger- und Siebzigerjahre sammle, die die „Kunst demokratisieren“ wollten. Im September 2001 gründete Flick die in Potsdam die „Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz“. Gegen eine „Geiselnahme“ wegen der Naziverbrechen nahm Kulturstaatsministerin Christina Weiss Mäzen und Künstler jetzt in Schutz.

Auch Peter Härtling sieht die Flick-Sammlung heute „differenzierter“. Die Entschädigung der Zwangsarbeiter sei schließlich auch ohne Flicks Zutun in Gang gekommen. Trotzdem: Die Flick-Collection sei für Berlin „ein Gewinn mit einem Rand, der von der Geschichte geschwärzt ist.“ Flick bleibe es nach wie vor schuldig, sich über den Aufbau seiner Sammlung hinaus konkret mit der Geschichte seiner Familie auseinander zu setzen. Der Berliner Unternehmensberater Armin Huttenlocher, der 2001 gegen Flicks „Kompensationsgeschäfte mit Kunst und Kultur“ prominente Unterschriften sammelte, geht weiter. Berlin hätte die Sammlung ebenso wie Zürich ablehnen müssen, sagt er. Solange Flick nicht zur Aufklärung der Firmen- und Familiengeschichte in der NS-Zeit beitrage, indem er etwa die Archive öffne, könne von „Verantwortung für die Vergangenheit“ keine Rede sein. „In höchstem Maße erschreckend“ sei es auch, dass mit dem Berliner Senat „ausgerechnet die politische Linke“ Flicks Sammlung so unkritisch aufnehme.

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