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Gedenken. Barbara Gstaltmayr im Garten. Bei einer Veranstaltung zu Ehren der Familie Barasch zierten alte Fotos die Bäume.

© Cay Dobberke

Gedenkinitiative in Berlin-Grunewald: Ein geschichtsträchtiger Garten

Anwohner in Grunewald wollen an jüdische Vorbesitzer ihres Grundstücks erinnern – doch ein Investor plant dort Wohnungsbau.

Es ist idyllisch an der Wissmannstraße 11 in Grunewald, auf dem Grundstück gibt es eine alte rote Klinkersteinvilla, ein Gartenhaus und einen großen, wenn auch verwilderten Garten. Aber ein „Stolperstein“ davor deutet das Schicksal der einstigen jüdischen Eigentümer in der NS-Zeit an: „Hier wohnte Artur Barasch, Jg. 1872, verhaftet, KZ Sachsenhausen, ermordet 6.4. 1942.“ Die Gedenktafel war 2008 auf Anregung von Mietern des Gartenhauses in den Gehweg eingelassen worden.

Barbara Gstaltmayr gehörte zu den Initiatoren, seitdem hat die in der Kunst- und Kulturszene tätige Mieterin viel mehr über die Vorbesitzer erfahren und Kontakte zu Nachfahren in den USA geknüpft.

Mit Nachbarn und Sympathisanten möchte sie einen „Bürgergarten“ als öffentlichen Erinnerungsort schaffen. Unter anderem seien Schulprojekte denkbar.

Alte Pracht. 1921 hatte der jüdische Unternehmer Barasch das Anwesen in der Wissmannstraße erworben.
Alte Pracht. 1921 hatte der jüdische Unternehmer Barasch das Anwesen in der Wissmannstraße erworben.

© Cay Dobberke

Doch nun hat die Immobilienfirma Ralf Schmitz den Garten für 1,55 Millionen Euro gekauft, um ein Wohnhaus zu bauen. Man sei bereit, der Familie Barasch „in geeigneter und würdiger Weise zu gedenken“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Daniel Ralf Schmitz. „Wie dies geschehen kann, ist noch nicht entschieden.“ In einem Gespräch mit Gstaltmayr soll das Berliner Unternehmen angeboten haben, eine Ecke im Garten frei zu halten oder eine zweite Gedenktafel anzubringen.

Die Mieter hingegen suchen einen Mäzen, der den ganzen Garten erwirbt und entwickelt. Gstaltmayr hat auch viele Politiker angeschrieben – bis hin zu Bundespräsident Joachim Gauck, der ihr Mut machte.

Stolperstein. Auf Initiative der Mieter wurde 2008 diese Tafel im Gehweg verlegt.
Stolperstein. Auf Initiative der Mieter wurde 2008 diese Tafel im Gehweg verlegt.

© Cay Dobberke

Artur Barasch war ein jüdischer Kaufmann, der mit seinem Bruder eine Kaufhauskette führte. 1921 zog er mit seiner Familie aus Breslau an die Wissmannstraße. Nach der Machtübernahme der Nazis sah er für sich keine Gefahr. Doch 1942 wurde er deportiert und starb im KZ Sachsenhausen. Frau und Kinder waren zuvor auf teils abenteuerliche Weise ins Ausland geflohen, sein Sohn Werner schrieb später das Buch „Entronnen“.

Für das von einem Deutschen übernommene Grundstück entschädigte ihn die Bundesregierung nach dem Krieg nur mit 5000 Mark. Als nun eine Erbin des deutschen Eigentümers starb, verkaufte ein Nachlassverwalter den Garten.

Vor Kurzem trafen sich dort Dutzende Unterstützer zur Gedenkfeier für die Familie Barasch mit Musik, einer Lesung aus dem Buch und einer Blumenniederlegung am Mahnmal für die deportierten Berliner Juden am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald. Unterdessen haben Mitglieder der Familie in den USA angekündigt, sie würden gerne bald einmal den Wohnort ihrer Vorfahren besuchen.

Kontakt zur Anwohnerinitiative per E-Mail: barbara.gstaltmayr@online.de

- Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Berichts stand, Artur Barasch sei wie viele Berliner Juden über den nahen Bahnhof Grunewald deportiert worden. Laut einem Hinweis des Historikers Alfred Gottwaldt fuhren dort aber keine Züge nach Sachsenhausen. Vermutlich sei Barasch vom Polizeipräsidium am Alexanderplatz in einem Wagen ins KZ gebracht worden. Es gibt dazu keine Zeugenberichte.

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