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Berlin: Ein Herz und eine Seele

Fünf Jahre Potsdamer Platz: Er funktioniert – als eines von vielen Zentren der Stadt

Und er funktioniert doch! Trotz der Sheriffs in den Arkaden, die bei der Eröffnung vor fünf Jahren doch so befremdlich, auf manche bedrohlich wirkten; heute sieht man über sie hinweg. Er funktioniert, der neue Potsdamer Platz, trotz der stolzen Durchschnittlichkeit, was die Höhe der Türme, die Länge der Einkaufspassagen, die Zahl der Kinos, die Güte der Bars betrifft; vielleicht sogar: deswegen.

Es sollen Besucher aus München nicht mehr von selbst herausgefunden haben aus dem unterirdischen Parkhaus. Das muss nicht gegen das Parkhaus sprechen. Wer sich auskennt, fährt bis fast rein in den Gemüsestand im Untergeschoss rechts. Am anderen Ende, dort, wo es zur S-Bahn geht, hat der Friseur dichtgemacht, nicht nur er; zu teuer, die Mieten, wurde gesagt. Es kommen andere, die ihr Glück versuchen.

Bei der Eröffnungsfeier vor fünf Jahren fehlte einer, der für diese Seite des Platzes – nennen wir sie: die Mercedes-Seite – eine Art früher Pate war: Edzard Reuter. Die offizielle Erklärung war, man habe „vergessen“, ihn einzuladen. Das hindert ihn heute nicht, gegen jeden zu sprechen, der hier Kälte verspürt, Künstlichkeit beklagt, Beliebigkeit moniert. Übrigens an manchen Stellen durchaus zu Recht.

Eigentlich gibt es den Platz ja zweimal, und nimmt man den ursprünglichen Ort hinzu, der heute nichts als eine Kreuzung ist, sogar dreimal. Die andere, die Sony-Seite, hat es schwerer gehabt. Sie war etwas später fertig, die Kinos liefen nicht so gut; aber sie ist schöner, eigener, unverwechselbarer als die erfolgreiche Gegenseite: Mit dem Kaisersaal, einst spektakulär hierher geschoben, dem bunt changierenden Zeltdach, den Fontänen, dem Glasturm von Jahn bietet der Potsdamer Platz hier schon Besonderes.

Zurück zur Mercedes-Seite, und rein zu Mercedes: Die Autos im „Showroom“ sind alle verschlossen, das Publikum ist wohl doch zu – gemischt. Gleich gegenüber haben sich Ärzte niedergelassen, aber nicht für Kassenpatienten. Im Musical-Theater geht es dann sehr berlinerisch zu. Hier ist der Kassierer noch ganz klar der König. Aus dem Teich dahinter fischen von Zeit zu Zeit Taucher Pommestüten vom Grund. Dosen sind seit kurzem seltener geworden.

Seltsam, wie nebenbei auf der Mercedes-Seite die Architektur wirkt, trotz Kollhoffs Steinen, Moneos Achsen, Isozakis Wänden, Rogers’ Stahl- und Glasgeometrie. Hauptsache, es funktioniert. Nur wer sich über die Leipziger Straße nähert, nimmt etwas wahr von der Torkunst der Häuser, staunt über die sehr scharfe Kante links und verliert sich in den gläsernen Bürozimmern rechts. Von oben, bei Kollhoff auf dem Dach, wohin ein Fahrstuhl wirklich rast, sieht alles dann größer aus, weiter.

Wir müssen noch über Kommerz sprechen, denn das war vor fünf Jahren, man glaubt es kaum, ein Vorwurf. Ein „Bürgertribunal“ gab es in der Eröffnungsnacht, wegen des angeblich programmierten Jubels, wegen der vermeintlichen Verdrängung von wem auch immer, wegen der Besetzung des öffentlichen Raums durchs schamlose Kapital. Heute nehmen sich alle vom Potsdamer Platz, was sie brauchen, und wenn es Billigbier aus dem Supermarkt ist. Sie benutzen ihren Platz ohne Grenzen, vom Pathos ist gar nichts übrig geblieben. Herz, Seele der Stadt – ach was, nur ein Platz von vielen. Einer, der funktioniert.

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