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Berlin: Ein Kontinent unterm Zeltdach

André Hellers Zirkusshow „Afrika! Afrika!“ gastiert seit einem Monat in Berlin Mit den Deutschen haben die Artisten nur gute Erfahrungen gemacht. Mit einer Ausnahme

Mary Materego sitzt vor dem Zelt und zeigt rüber zum neuen Hauptbahnhof. „Moderne Gebäude gibt es bei mir zu Hause auch. Aber so etwas Gigantisches dann doch nicht.“ Auch die Züge, die Menschen, die Geschäfte, alles sei ein bisschen anders. Materego ist aus Tansania, seit zehn Monaten tourt sie mit André Hellers Zirkusshow „Afrika! Afrika!“ durch Deutschland. Ihre Nummer: Sie kann Vasen und Tische balancieren, dass einem schwindelig wird.

120 Tänzer, Artisten, Sänger und Musiker aus 13 Ländern gehören zur Show. Zwei Jahre haben Hellers Mitarbeiter nach den außergewöhnlichsten Künstlern Afrikas gesucht. Materego erfuhr durch Freunde von dem Projekt und schickte ein Video von ihren bisherigen Auftritten nach Deutschland. „Als ich die Zusage bekam, habe ich Gott gedankt“, sagt sie. Doch dann kam auch die Furcht: „Ich hatte ein wenig Angst vor den Weißen, ich dachte, sie mögen uns nicht.“ Sie habe sich auch gar nicht vorstellen können, dass sich Weiße für ihren Kontinent interessieren. Jetzt ist sie überrascht: „Wenn ich nach dem Weg frage, hilft mir immer jemand. Die Weißen sind sehr freundlich.“ Leider nicht alle: Während des Gastspiels in München wurden zwei Darsteller in der U-Bahn angegriffen und beschimpft. Auch das sei Deutschland.

Der Vorfall hat die Gruppe zusammengeschweißt. Ganz am Anfang, als sich das Team zum ersten Mal traf, bildeten sich kleine Grüppchen. Nicht nach Nationalität oder Religion, sondern nach Sprache. In Afrika gibt es 2000 verschiedene. Um das Zusammenwachsen zu erleichtern, beschlossen die Künstler, sich in der Gruppe nur noch in den Kolonialsprachen Englisch oder Französisch zu unterhalten. Mittlerweile gebe es keine Grüppchen mehr. „We are a family“, sagt Materego. Wir sind eine Familie.

Im Ensemble ist Dickson Oppong eine Art Prediger. Vor jeder Vorstellung halten sich alle Mitwirkenden an den Händen, und Oppong predigt in einem Mix verschiedener Sprachen für das Team und die Show. Alle machen mit: die Christen, die Moslems, auch der jüdische Artist. In seiner Heimat, der Elfenbeinküste, ist Oppong ein Star. Er tritt in Fernsehshows auf, hat auch schon dem Präsidenten seine Wasserartistik gezeigt. Der „Regenmann“ trinkt vor dem Auftritt literweise Wasser, das er dann nach und nach wie eine Fontäne ausspuckt. Oppong mag Deutschland. „Für einen Deutschen ist ein Ja ein Ja und ein Nein ein Nein.“ Was er noch an den Deutschen mag: „die Pünktlichkeit“. Die ist ihm ganz wichtig, sagen seine Kollegen. Und ziehen ihn damit auf, dass er beim Probenbeginn immer fünf Minuten früher da sei als alle anderen.

Sechs Tage die Woche treten die Darsteller auf, noch bis zum 2. September in Berlin, danach in Düsseldorf. Weil die Show am Hauptbahnhof oft ausgebucht ist, überlegen die Veranstalter, an den Nachmittagen Zusatzshows anzubieten.

Bei so vielen Auftritten muss Maxwell Mntambo seine Stimme schonen. Er ist der Sänger des Orchesters. Mntambo stammt aus Südafrika und mag das Bild, das „Afrika! Afrika!“ von dem Kontinent präsentiert. „Es ist das schöne Gesicht Afrikas.“ Ja, die Akrobatik sei typisch für die Länder. Bedenken, die Show reduziere Afrika auf singende und tanzende Menschen, teilt er nicht: „So wie es auch einen chinesischen Zirkus gibt, ist das hier der afrikanische Zirkus.“ Und natürlich sei Afrika mehr als Akrobatik und Ausgelassenheit. Aber Zirkus sei eben keine Plattform, um Probleme darzustellen. In der Freizeit gehen die Künstler spazieren. Oder bummeln durch die Geschäfte. Gekauft wird wenig, viele leben sparsam, weil ihr Gehalt in Afrika einfach viel mehr wert ist. Und feiern kann das Team auch, ohne Geld auszugeben. Nur nicht zu lang, denn am nächsten Tag machen sie wieder Zirkus.

Die Show im Internet:

www.afrikaafrika.de

Britta Buchholz

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