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Berlin: Ein Krankenhaus für die ganze Stadt – mit neun Filialen

Landeseigener Konzern Vivantes will mit einem dezentralen Konzept ab 2004 schwarze Zahlen schreiben. Die bestehenden Häuser bleiben als Spezialkliniken erhalten

Wolfgang Schäfer, Chef des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes, hat eine Vision: „Am besten wäre ein großes Krankenhaus in Mitte, mit sämtlichen Abteilungen, in denen wir alle unsere 184 000 Patienten behandeln können.“ Doch Vivantes besteht aus neun Häusern, die über das ganze Stadtgebiet verteilt sind. Also baut Schäfer den Konzern so um, dass er seiner Vision nahe kommt. Neben der wohnortnahen Grundversorgung, die jede Klinik auch in Zukunft bietet, werden in den Hospitälern Spezialzentren für bestimmte Krankheiten und Therapiemethoden eingerichtet – zum Beispiel Altersmedizin, Mutter-und-Kind-Versorgung, Orthopädie oder Psychiatrie.

So soll im übertragenen Sinne ein Krankenhaus mit mehreren – über ganz Berlin verteilten – Abteilungen entstehen. Auf die Patienten kommen dadurch unter Umständen mehr und längere Krankentransporte zu: wenn sie zum Beispiel einen speziellen Facharzt benötigen, der in einem wohnortfernen Vivantes-Klinikum arbeitet. Doch das sei die Ausnahme, versichert die Vivantes-Leitung. Die Basisversorgung sei an allen Krankenhäusern gesichert.

Der Aufsichtsrat des Unternehmens beschloss gestern Schäfers Strategiekonzept. Es soll Vivantes bis 2010 nicht nur überlebensfähig, sondern auch zu einem profitablen Konzern machen. Ein halbes Jahr lang haben Vivantes-Geschäftsführung, Unternehmensberater und Banker an dem Konzept gefeilt. Jetzt ist sich Wolfgang Schäfer sicher: „Wir weisen nach, dass sich Vivantes aus der übertragenen Problematik selbst befreien kann.“ Übertragene Probleme, damit meint Schäfer die Ausgangssituation des Konzerns, der nach dem Willen des Landes 2001 aus damals zehn städtischen Kliniken geschmiedet wurde: 190 Millionen Euro Altschulden, zu viel und zu teures Personal, teilweise marode Krankenhausbauten und zu viele Standorte. All diese Probleme will Schäfer aus eigener Kraft lösen, ohne private Geldgeber.

In zwei Jahren soll auf der Konzernbilanz eine schwarze Null stehen, und bis 2016 sollen die Schulden getilgt sein. Noch macht Vivantes Verluste, allein in diesem Jahr 26 Millionen Euro. Schäfers Lösung: Mehr Patienten, weniger Personal und ein rigides Sparregime. Die Geschäftsleitung will die Personalkosten drastisch drücken. Noch sind den Sanierern hier die Hände gebunden. Denn bei der Gründung von Vivantes im vergangenen Jahr ging das Unternehmen die Verpflichtung ein, das Personal der ehemaligen städtischen Krankenhäuser nicht nur komplett zu übernehmen. Zugesagt wurde auch, das Personal nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes zu bezahlen und bis Ende 2006 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Doch schon jetzt versucht der Konzern, manchen Mitarbeitern den freiwilligen Weggang mit Abfindungen zu erleichtern. Andere Beschäftigte sind „verhaltensbedingt“ entlassen worden, weil sie nicht bereit waren, sich an ein anderes Vivantes-Krankenhaus versetzen zu lassen.

Von den einst 13 500 Mitarbeitern bei der Gründung des Konzerns am 1. April 2001 sind jetzt noch rund 11 650 beschäftigt – bis 2010 sollen noch einmal 1700 gehen. Darüber hinaus fallen auch Ausbildungsplätze weg. Vivantes benötigt die drei Schulen für Medizinisch-technische Assistenten, Ergotherapeuten und Diätassistenten nicht mehr – insgesamt 400 Plätze. Da die Schulen für alle Krankenhäuser ausbilden, müsse der Senat auch zahlen, meint die Konzernleitung.

Vivantes will mehr sein, als ein Krankenhausunternehmen. Künftig werden die Ärzte hier nicht nur stationär behandeln, sondern auch ambulant. Der Patient kann beispielsweise bei günstigem Verlauf wenige Stunden nach der Operation nach Hause entlassen werden. Auch die Nachsorge will das Unternehmen in seine Hand bekommen, denn die durchschnittliche Liegedauer eines Patienten soll von jetzt 8,2 Tage auf 5,1 sinken. Die Patienten werden in den Kliniken Angebote zur ambulanten Rehabilitation vorfinden. Und schließlich soll Vivantes auch bei der Pflege von Senioren Marktanteile gewinnen. Schon jetzt ist der Konzern mit rund 2000 Pflegeplätzen der größte Anbieter von solchen Pflegediensten in der Stadt.

Das alles gibt es nicht gratis. 271 Millionen Euro will Vivantes bis 2010 in die Kliniken investieren. Ein Drittel davon soll selbst erwirtschaftet werden, die restlichen 186 Millionen müsse das Land im Rahmen der Investitionsförderung übernehmen. Auf diese Förderung haben alle Kliniken einen Anspruch. Martin Matz, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, hält es für unwahrscheinlich, dass Vivantes das eigene Geld für die Investitionen zusammenbekommt. „Der Konzern macht Verluste und hat kein Eigenkapital. Woher soll das Geld kommen?“

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