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Berlin: Ein Mann für besondere Fälle

Als Richter beim Oberverwaltungsgericht stoppte er einst die Autobahn-Planung: Albrecht Grundei ist tot. Er starb mit 85 Jahren

Er war geachtet und gefürchtet. Geachtet nicht nur wegen seines Sachverstands, sondern auch wegen seines Einsatzes für andere Menschen. Gefürchtet, weil er als Richter auch Entscheidungen traf, mit denen Kläger nie gerechnet hätten. 36 Jahre war Albrecht Grundei Richter; als Vorsitzender des Oberverwaltungsgerichts (OVG) ging er 1987 in den Ruhestand – und engagierte sich weiter ehrenamtlich. Er starb vergangene Woche.

Wer heute über die Stadtautobahn Richtung Norden fährt und sich über die vielen Kurven im Bereich des Tegeler Forstes wundert, wundert sich über Albrecht Grundei. Er hatte als Vorsitzender Richter 1982 die Bebauungspläne für diesen Autobahnabschnitt gekippt – und die Politiker verärgert. Grundei und sein Senat hatten gleich mehrere Formmängel in den amtlichen Unterlagen beanstandet.

Der damalige Bausenator Ulrich Rastemborski (CDU) hielt sich noch zurück und sprach lediglich von einem „für die Stadt bedauerlichen Vorgang“. Ein Parteifreund dagegen schrieb nach diesem aus seiner Sicht ungehörigen Urteil in der Parteizeitung, beim Oberverwaltungsgericht hätten „Schildbürger Unterschlupf gefunden“. Weil Grundei bei einem Ortstermin zuvor auch eigene Vorschläge für den Autobahnbau gemacht hatte, warfen ihm die Kritiker zudem vor, das Gericht maße sich eine nur der Legislative und der Exekutive zustehende Kompetenz an.

Grundei ertrug dies gelassen. Nicht nur, weil andere Abgeordnete sich bei ihm entschuldigten. Kenner wüssten, dass Grundeis’ Senat beim Oberverwaltungsgericht „mit besonders sachkundigen Richtern“ besetzt sei, erklärte ein anderer CDU-Abgeordneter.

Am Schluss hatte Grundei jedenfalls erreicht, dass für die Autobahn keine geradlinige Schneise durch den Tegeler Forst geschlagen wurde, wie es die Planer vorhatten, sondern eine kurvige Strecke angelegt wurde, um möglichst viele Bäume zu schonen. Teilweise wurde aus der Autobahn deshalb eine Bundesstraße. Erst nach der Einheit entstand dann nach einigen Änderungen eine durchgehende Autobahn. Die Kurven aber sind geblieben.

Grundei musste sich mit vielen spektakulären Fällen beschäftigten. Das einst geplante Atomkraftwerk am Oberjägerweg im Spandauer Forst, dessen Baupläne der Senat dann aber aufgab, gehörte ebenso dazu wie der Ausbau des Kraftwerkes Reuter West oder des Hahn-Meitner-Instituts in Wannsee, wo die Kläger jeweils keinen Erfolg hatten. Zurückgewiesen hatte Albrecht Grundei auch die Klagen gegen die Magnet-Bahn vom Gleisdreieck zum Kemperplatz, die erst nach der Wende dem Wiederaufbau der U-Bahn weichen musste.

Grundei setzte aber auch außerhalb des Gerichts Maßstäbe. So engagierte er sich für die Spastikerhilfe – nicht nur, weil auch er eine schwer spastisch gelähmte Tochter hatte. Er war zudem der erste Vorsitzende der 1986 geschaffenen Mietschlichtungsstelle.

Albrecht Grundei wurde 85 Jahre alt.

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