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Berlin: Ein neues Land

Olaf Haase war arbeitslos und bekam eine Stelle als Koch in Irland – und er träumt schon von Australien

Als Koch war Olaf Haase es gewohnt, seine Arbeitsplätze zu wechseln. Blick in die Stellenanzeigen, Anruf, Vorstellungsgespräch, Zusage. So hatte er auch die Stelle im Café Lebensart im Bundestagsgebäude Unter den Linden gefunden. Das Restaurant war der Allgemeinheit zugänglich und die Kundschaft bunt. Dann kam der elfte September, bewaffnete Polizisten bezogen Stellung vor der Tür, die Stadt war leergefegt vor Schreck. Olaf Haase drehte ein paar Tage lang Däumchen in der Küche, dann wurde er gefeuert. Er schaute wieder in die Zeitung. Doch mit den Touristen waren auch die Stellenangebote verschwunden. Blieb nur das Arbeitsamt.

„Die hatten aber nur Frittenschmieden im Angebot“, erzählt der 26-Jährige. Allerdings bot das Arbeitsamt auch eine Info-Veranstaltung über Österreich an. Haase ging hin, obwohl das Land ihn nicht besonders reizte. Aber auf der Veranstaltung fiel ihm ein Irland-Prospekt in die Hände. Eine Insel, auf der man Englisch spricht – das klang schon besser. Haase meldete sich für einen Vorbereitungskurs an, in dem er zwischen lauter gestrandeten Köchen, Kellnern, Hotelmanagern und Empfangsdamen saß, um etwas über Land, Leute und das irische Sozialversicherungssystem zu erfahren. „Die Dozenten waren selbst unsicher, was sie uns vermitteln sollten. Und obwohl uns Jobs so gut wie versprochen wurden, habe ich kaum geglaubt, dass das Arbeitsamt wirklich alles organisiert kriegt.“ Das war im März.

Einen Monat später reisten die Personalchefs der Hotelkette Jurysdoyle nach Berlin. Olaf Haase ging mit weichen Knien zum Bewerbungsgespräch – und staunte umso mehr, wie gut er mit seinem bisschen Englisch die Iren verstand und von ihnen verstanden wurde. Ein paar Wochen später packte er Koffer, um als Vize-Küchenchef im Dubliner Fünf-Sterne-Hotel „The Berkeley Court“ anzutreten. Als er drei Tage vor Arbeitsbeginn ins Flugzeug stieg, hatte er Irland noch nie gesehen.

Erste Erkenntnis nach der Landung: Das Wetter ist so schlecht wie erwartet. Zweite Erkenntnis: Fast alles ist ziemlich teuer – und zwar vom Kaffee bis zur Wohnung. Also mietete Haase gemeinsam mit vier anderen Ankömmlingen ein Haus. Die Kollegen in der Hotelküche kannten sich alle kaum, aber sie rauften sich zusammen: entwarfen unter Haases Regie jede Woche eine neue Speisekarten mit allem, was die Kühlregale hergaben und organisierten Feiern für bis zu 500 Menschen. „Die halbe Welt arbeitet in Dublin“, erzählt Haase. „Ein Kollege aus Sri Lanka hat mich eingearbeitet, der Chef war ein Schweizer, und in der Küche sind Franzosen, Italiener und Niederländer. Zum Glück, denn die irische Küche ist nicht so doll.“

Haase hat 14 Tage Kündigungsfrist. An die Kombination aus hohen Preisen und ewigem Herbst will er sich nicht gewöhnen; bald geht er wieder auf Jobsuche. Amerika reizt ihn, ist aber kulinarisches Notstandsgebiet. Also steht Australien auf Platz Eins. Seine Mitbewohner wollen ihn begleiten. „Die Welt steht uns offen“, sagt Olaf Haase. Es klingt nicht pathetisch. Eher pragmatisch.

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