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Berlin: Ein Raumschiff, unterm Funkturm gelandet

Vor 25 Jahren wurde das für fast eine Milliarde Mark gebaute ICC eröffnet. Heute fehlt für die dringende Sanierung das Geld

Gezittert haben fast alle Verantwortlichen, bevor vor 25 Jahren der neue Stolz der Stadt, das Internationale Congress Centrum (ICC), eröffnet werden konnte. Wie bei Großbaustellen üblich, werkelten Hunderte von Bauarbeitern fast bis zur letzten Minute in dem Mammutbau herum. Sie benötigten Spezialausweise, weil sie sonst nicht durch die strengen Polizeikontrollen gekommen wären, die schon zwei Tage vor der Feier stattfanden. Der Staatsschutz hatte penibel auch alle Ehrengäste überprüft. Und weil die Techniker ihren hochkomplizierten Anlagen noch nicht recht trauten, wurden diese am Eröffnungstag sicherheitshalber per Hand bedient. Sicher war sicher, am 2. April 1979.

Doch der größte Unsicherheitsfaktor war ausgerechnet der Dirigent der Philharmoniker, die zur Eröffnung spielen sollten. Eine Drohung Herbert von Karajans hatte die Verantwortlichen „bis ins Mark“ getroffen, wie der Tagesspiegel vor 25 Jahren berichtete. Der Maestro hatte zwar auf jegliches Honorar verzichtet, aber dafür Sonderwünsche vorgebracht: Sollte auch nur eine einzige unautorisierte Aufnahme von ihm gemacht werden, wollte er auf der Stelle und auch mitten im Konzert die Bühne verlassen. Aber alles lief gut – und Berlin feierte eine rauschende Eröffnungsparty für 7500 Gäste, dem Neubau angemessen. Das „Raumschiff“ kostete immerhin fast eine Milliarde Mark, da konnte man für die Feier ruhig auch gleich 1,75 Millionen Mark lockermachen.

Als Konzertsaal hat sich das ICC aber nicht so richtig bewährt. Wenige Tage später war Karl Böhm mit den Wiener Philharmonikern zu Gast. Die Kritiker waren mit der Akustik beim Sinfoniekonzert nicht zufrieden. Der Klang sei nicht so subtil gewesen, wie Karl Böhm es anzugehen pflegte. Die Philharmonie werde durchaus nicht überflüssig, urteilten die Kritiker. Dies zu wissen, sei tröstlich.

Das ICC war von Anfang an umstritten. Den einen gefiel es, den anderen überhaupt nicht. Auch der Berliner Presseball, vom Palais am Funkturm ins ICC umgezogen, wurde dort nie wirklich heimisch. Jetzt wird in Hotels getanzt.

Entworfen hatten den Bau das Architektenpaar Ralph Schüler und Ursulina Schüler-Witte. In dem 320 Meter langen, 80 Meter breiten und bis zu 40 Meter hohen Komplex gibt es in etwa 80 Sälen und Räumen Platz für insgesamt 20 300 Gäste. Kernstück sind die beiden großen Säle mit Platz für 5000 und 4000 Besucher. Entstanden war ein „Ding zwischen Kathedrale (Sankt Mehrwert) und Flughafen“, schrieb der damalige Tagesspiegel-Feuilletonchef Heinz Ohff. Erst mehr als acht Jahre nach der Eröffnung lag die Endabrechnung für den Bau vor: 926 Millionen Mark soll er gekostet haben; das Abgeordnetenhaus hatte ursprünglich 755 Millionen Mark bewilligt.

Klar war immerhin von Anfang an, dass das große Haus Verluste bringen würde. Auf 24 Millionen Mark hatte man das jährliche Defizit beziffert. So ungefähr kam es dann auch. Und das gute Stück ist in die Jahre gekommen. Es müsste dringend renoviert werden, doch die veranschlagten 140 Millionen Euro dafür sind nicht aufzutreiben. Mehrmals tauchte bereits der Vorschlag auf, das ICC abzureißen. Aber die Diskussionen wurden jedes Mal auch schnell wieder beendet. Berlin ohne das ICC ist doch nur schwer vorstellbar.

Das Lampenfieber vor der damaligen Eröffnungsfeier ist längst der Routine gewichen. Keine einzige Veranstaltung habe wegen technischer Mängel oder organisatorischer Missstände ausfallen müssen, konnte die Messegesellschaft bereits zum 20-jährigen Bestehen stolz vermelden. Und dabei soll es auch in den nächsten Jahren bleiben.

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