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Ein Samstag in Berlin: Demos zu Lande, zu Wasser und in der Kluft

Die einen demonstrierten fürs Tacheles, die anderen gegen den Umbau der Kastanienallee oder gegen Flugrouten. Der Zulauf bei den Protesten war sehr unterschiedlich

Tacheles-Sprecher Martin Reiter mag keine leisen Töne: „Die Mauer muss weg, ihr Spinner“, steht auf seinem Plakat. Er meint den kürzlich errichteten Wall, der den Durchgang zur Freifläche hinter der Kaufhausruine versperrt. Ein kleiner Sieg für die HSH Nordbank, die alle Künstler schnellstmöglich aus dem Tacheles haben möchte. Rund 300 Menschen demonstrieren für die Erhaltung des bedrohten Künstlerhauses, manche haben sich in Clownskluft geworfen oder sich als Fantasiegestalten verkleidet, die Oranienburger Straße ist dort stundenlang gesperrt. Dr. Motte legt auf, später wettert er gegen Konzerne und Politiker aller Parteien und fordert einen „Bundesverband der Bürgerinitiativen“ – damit sich Protestbewegungen endlich besser organisieren.

Die Tacheles-Anhänger sind nicht die Einzigen, die es an diesem Sonnabend auf Berlins Straßen zieht. Am frühen Nachmittag versammeln sich 100 Protestler auf der Kastanienallee in Prenzlauer Berg, um gegen deren Umbau zu demonstrieren. Auf Zetteln verlangen sie einen sofortigen Baustopp, auch ein Golden Retriever bekommt die Forderung angeheftet. Die Gruppe zieht ans nördliche Ende der Straße, dorthin, wo gegenüber des Prater-Geländes schon der Gehweg teilweise aufgerissen und ein Stück der Fahrbahn weggefräst wurde, hier sollen Parkbuchten hin. Sprecher Matthias Aberle beklagt die Informationspolitik des Bezirks, der Baubeginn sei schlecht kommuniziert worden. Und dann die bekannten Argumente: Die Umbaupläne gefährdeten Radfahrer, Cafés verlören Kunden, weil der Gehweg verengt werde. Dr. Motte ist auch hier bereits dabei. Noch wirkt der Protest überschaubar, doch das soll sich ändern: Von jetzt an wollen sie jeden Sonnabend über die Kastanienallee ziehen, das nächste Mal mit Megafon. Am 14. Mai ist gar ein Aktionstag mit Bühnen, Bands und Straßensperrung geplant. Heute muss sich die Staatsmacht keine Sorgen machen. Die Handvoll Polizisten vor Ort beobachtet den Zug sichtlich entspannt.

Zehn Kilometer westlich wartet ein Boot der Wasserschutzpolizei auf dem Stößensee. Ein Bootskorso soll hier gegen die geplanten Flüge vom neuen Hauptstadtflughafen BBI über Wannsee und Havel protestieren, angemeldet hat Klaus Schulze, Versicherungsmakler aus Kladow. „Nicht nur, weil dies das wichtigste Naherholungsgebiet der Stadt ist, sondern weil sich hier ein Reaktor und die Zentralstelle für radioaktive Abfälle befinden“, sagt der 62-Jährige. Die seien gegen einen etwaigen Flugzeugabsturz nicht hinreichend geschützt. Die Zahl der Korso-Teilnehmer bleibt überschaubar: Schulze segelt auf seiner „SY Moana Manu“, zwei weitere Boote schließen sich ihm an, erst fast am Ziel, dem Berliner Yacht-Club in Nähe des Strandbads Wannsee, werden sich noch ein Segelboot und eine kleine Barkasse mit dem Transparent „Flugverbot über Wannsee-Reaktor“ dazugesellen. Die Kapitäne der vielen anderen Boote, die heute auf dem Stößensee, der Havel und dem Wannsee unterwegs sind, haben kein politisches Anliegen. „Die Menschen hier verstehen noch nicht, was an Lärm und Umweltbelastung durch die Überflüge vom BBI auf sie zukommen wird“, ärgert sich Schulze, der extra eine Trommlergruppe engagiert hat, um auf den Korso aufmerksam zu machen.

Für ein fluglärmfreies Berlin-Südost wollen am Sonntag um 11 Uhr Bewohner aus dem Bereich Müggelsee vor dem Terminal in Schönefeld demonstrieren. Um 16 Uhr folgt dann im Terminal eine Protestaktion einer Kleinmachnower Demonstrantengruppe.

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