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Berlin: Ein schleichendes Problem

Luckenwalde will wegen Streunerkatzen eine Kastrationspflicht. Regierung prüft landesweite Lösung.

Von Matthias Matern

Luckenwalde – Die Verwaltung Luckenwaldes reagiert allergisch auf Katzen: Die Stadt im Landkreis Teltow-Fläming geht gegen die ungehemmten Vermehrung der Tiere vor und will als erste Kommune Brandenburgs im Frühjahr 2014 eine Kastrationspflicht für Hauskatzen einführen. Zudem sollen Halter dazu verpflichtet werden, ihren Lieblingen Mikrochips implantieren zu lassen – sonst droht ein Bußgeld. Kann der Besitzer nicht ausfindig gemacht werden, kommt die Katze in ein Tierheim und wird weitervermittelt.

Anlass für diese Vorgabe ist, dass sich die Zahl der Luckenwalder Straßenkatzen im Vergleich zum vergangenen Jahr verdoppelt haben soll. Einer entsprechenden Vorlage haben die Stadtverordneten ohne mit der Wimper zu zucken zugestimmt – sehr zur Verwunderung von Ordnungs- und Rechtsamtsleiterin Anette Wolters. „Ich habe mit mehr Widerstand gerechnet“, sagt die 53-Jährige. Dabei hat es sich Wolters eigenen Angaben zufolge nicht leicht gemacht, sondern „mehrere schlaflose Nächte“ über die Frage gegrübelt, wie man des Katzenproblems Herr werden kann.

Auf den Tisch gekommen sei das Thema durch einen Einzelvorschlag für den Bürgerhaushalt der Stadt, berichtet Wolters. Darin sei unter anderem gefordert worden, dass sich die Stadt um die streunenden Katzen kümmern und Futterstellen einrichten solle. Zudem sei der Bau eines dritten Tierheims gewünscht worden. „Der Einzelvorschlag hatte unglaublich viele Stimmen bekommen. Insgesamt 646“, erinnert sich die Ordnungsamtschefin. Die Eingabe landete sogar auf Platz zwei der Prioritätenliste.

Da ein Tierheim nicht finanzierbar sei, schlug Wolters die Kastrationspflicht vor, zumal es sowieso Handlungsbedarf gab: Weil Einwohner die etwa 500 Streuner füttern, entstünden „gesundheitspolitisch bedenkliche Situationen“. Befürchtet wird zum Beispiel die Ausbreitung von gefährlichen Erregern, weil auch Ratten angelockt würden. Zudem hätten sich Anwohner wegen der Hinterlassenschaften der Tiere beschwert. „Nur deshalb können wir ja jetzt eingreifen“, sagt Anette Wolters, die selbst zwei Katzen hat – beide kastriert.

Selbst Tierschützer halten die Kastration bei Katern und Sterilisation bei Katzen für das einzige Mittel, um die Vermehrung von Streunern einzudämmen. Dem Verein Bund Deutscher Tierfreunde zufolge gibt es derzeit mehr als zwei Millionen herrenlose Katzen in Deutschland. 250 Kommunen haben die Kastrationspflicht eingeführt. „Das ist viel zu wenig“, findet Vereinssprecher Harald Debus. „Am besten wäre eine Komplettlösung oder zumindest auf Landesebene.“ Das Problem bestehe vor allem darin, dass sich Katzen so schnell vermehren. Der Verein rechnet vor: Katzen werfen zweimal im Jahr jeweils fünf Junge. Statistisch überleben pro Wurf 2,8 Kätzchen. Dies bedeutet – rein rechnerisch – etwa 80 Millionen Nachkommen in zehn Jahren.

Das brandenburgische Umweltministerium prüft eine landesweite Regelung. „Es läuft gerade eine Anfrage bei den Kreisen und kreisfreien Städten, ob es Probleme mit Straßenkatzen gibt“, sagt eine Sprecherin. Berlin zumindest hält eine Kastrationspflicht derzeit nicht für notwendig (siehe Kasten). Dabei gilt die Stadt als einer der Schwerpunkte in Deutschland.

Dass bislang nur wenige Städte eine Kastrationspflicht haben, könnte laut Harald Debus auch an der Sorge vor den enormen Kosten von bis zu 150 Euro pro Kastration liegen. In Luckenwalde aber sollen die Tierhalter zahlen. Dort geht man davon aus, dass eine Kastration im Schnitt 70 Euro und eine Sterilisation etwa 90 Euro kostet. Dazu kämen die Kosten für den Chip in Höhe von bis zu 35 Euro. Als Anreiz erwägt die Stadt einen Zuschuss von bis zu 60 Euro.

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