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Berlin: Ein Spielplatz für Freizeit-Forscher

In Buch soll für 29 Millionen Euro das „Life Science Center“ entstehen Bis zu 300 000 Hobby-Wissenschaftler sollen dort einmal in Laboren tüfteln

Früher trieb die Menschen schiere Not nach Buch. Vor 100 Jahren noch hofften Tuberkulosekranke, freier atmen zu können, wenn sie in das Gebäude kamen, das abseits der Zepernicker Straße liegt. Dort, wo es so sehr nach Wald riecht. Deshalb sagen sie hier zur einstigen „Heimstätte für Brustkranke“ schlicht: Waldhaus. Seit der Wende steht es nun schon leer.

In Zukunft könnte dieser Ort Jahr für Jahr 300 000 Wissbegierige in den nordöstlichen Zipfel der Stadt locken. Das Waldhaus soll für 29 Millionen Euro auf 3000 Quadratmetern zum „Life Science Center“ werden. In zehn Mitmachlaboren würden Schüler und Familien selbst experimentieren, tüfteln und an Exponaten wie einem virtuellen Venen-U-Boot Neues über das Leben lernen.

Bis zum Sommer müsse nun der Steuerungsausschuss – in dem vier Senatsverwaltungen, Liegenschaftsfonds und das Bezirksamt Pankow vertreten sind – den noch zu erarbeitenden Fördermittelantrag des Bezirks prüfen und andere offene Fragen klären, berichtet Wirtschaftsstaatssekretärin Almuth Nehring-Venus (Linke). Der Liegenschaftsfonds plant solange zweigleisig. Ein Käufer für die Immobilie im aufstrebenden Wissenschaftsstandort dürfte sich schnell finden, wenn das Life Science Center doch nicht gebaut wird.

Seit einer ersten Konzeptstudie vor sieben Jahren geht es mit dem Vorhaben nur zäh voran. Denn im Bezirk gibt es Skeptiker, die das finanzielle Risiko scheuen und nicht an Besuchermassen glauben. Derzeit scheinen sich die Optimisten allmählich durchzusetzen. Eine von ihnen ist Birgit Teschke. Sie ist die Regionalmanagerin der Berlin Buch Management GmbH, die das Projekt vorantreibt. Und sie glaubt: Das Waldhaus wäre künftig genau die öffentliche Plattform, die dem Medizinstandort Buch mit seinen 6000 Mitarbeitern in Forschung und Kliniken noch fehlt. Und die den ganzen Ortsteil beleben könnte. Nebenan will ein Investor ein Medical-Wellness-Hotel mit 100 Betten errichten. Das würde sich gut ergänzen, meint Teschke. Hotelgäste könnten mal eben im Center ihren genetischen Fingerabdruck analysieren lassen, Zentrumsbesucher auf ein Kneippbad und einen Cappuccino ins Hotel spazieren.

Ein Vorbild ist das Universum Science Center in Bremen, wo seit 2000 jährlich mehr als 400 000 Besucher einen windschiefen „Turm der Lüfte“ besteigen, simulierte Erdbeben erleben und sich über Mensch, Erde und Kosmos informieren. Das Zentrum in Buch soll sich als erste vergleichbare Einrichtung bundesweit ganz dem Thema Lebenswissenschaften widmen und über Gesundheit, Ernährung, Sinne und Gefühle informieren. Auf vergnügliche und verständliche Weise könnten dort Genforscher vom Max-Delbrück- Centrum für Molekulare Medizin brandneue Errungenschaften präsentieren.

Allerdings müsste der mit 30 Millionen Euro verschuldete Bezirk Pankow als Bauherr auftreten. Und daher sagt Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD): „Ich habe das Vorhaben immer skeptisch gesehen.“ Der Bezirk gerate schließlich womöglich über 15 Jahre in die Pflicht, ein unkalkulierbares finanzielles Risiko zu tragen. Köhne ist nicht davon überzeugt, dass die von einer Machbarkeitsstudie prognostizierten 273 000 Besucher pro Jahr auf Dauer nach Buch strömen.

Hinter dem Life Science Center stehen verschiedene am Campus Buch angesiedelte Unternehmen. Einbringen will sich auch die Beraterfirma Petri & Tiemann, die das Zentrum in Bremen betreibt und dort nach eigener Aussage schwarze Zahlen schreibt. Zustande kommen kann das Vorhaben in Buch aber nur mit sogenannten „GA-Mitteln“: Geld unter anderem aus europäischen Töpfen, das die regionale Wirtschaftsstruktur etwa in Ostdeutschland verbessern soll.

Für das Life Science Center gelten 20,8 Millionen Euro als förderfähig. Diese muss der Bezirk über die Senatswirtschaftsverwaltung beim Bund beantragen. Pankow konnte sich lange Zeit nicht dazu durchringen und forderte von privater Seite eine Eigenbeteiligung von zehn Prozent ein. Diese sogenannten „Letters of Intent“ in Höhe von 2,08 Millionen sind nun seit November beisammen.

Im März sprach sich schließlich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit hauchdünner Mehrheit für einen GA-Antrag aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Mindrup warb engagiert für ein grundsätzliches Ja zur „touristischen Attraktion“. Die Linke war dagegen, und die SPD benötigte Stimmen aus der Opposition. Der Bezirksbürgermeister setzt diesen Beschluss nun zähneknirschend um. Der Steuerungsausschuss will den Fördermittelantrag im Sommer erst eingehend prüfen, bevor er eingereicht wird. Und das Betriebskonzept muss auch noch überarbeitet werden.

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