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Berlin: Ein Staatsmonopol kommt vor Gericht

Private Wettanbieter wollen klagen – Pro & Contra

Nachdem die Richter am Bundesverfassungsgericht ihr Urteil über die Zulässigkeit von privaten Wettbüros verkündet hatten, fühlten sich alle als Sieger: die Betreiber der illegalen Tipp-Büros ebenso wie die Minister und Senatoren der Bundesländer. Denn die Richter in Karlsruhe urteilten so: Gegenwärtig verstößt das Verbot der Wettbüros gegen das Grundgesetz; deshalb freuten sich die Inhaber der Büros. Doch die Bundesrichter fügten dann noch hinzu: Die Länder dürfen das Verbot dennoch aufrechterhalten und dieses auch durchsetzen. Und deshalb ordnete Finanzsenator Thilo Sarrazin, dessen Verwaltung für das Glücksspiel in Berlin zuständig ist, die Schließung von 330 Wettbüros in Berlin an.

Die ersten „Untersagungsverfügungen“ sind nach Informationen des Tagesspiegels in den Wettbüros eingegangen. Doch die haben die Abwehrschlacht organisiert: „Dagegen haben wir Eilanträge beim Verwaltungsgericht eingereicht“, sagt Rechtsanwalt Jusuf Kartal. Deshalb sei nicht damit zu rechnen, dass die von ihm vertretenen Wettvermittler kurzfristig geschlossen werden. Stattdessen werde erneut ein langer Weg durch die Gerichte gegangen.

Und dabei können die Wettbüros gut auf das Karlsruher Urteil aufbauen: Denn die Richter stellten fest, dass sich der Staat als Wettveranstalter nicht anders verhält als private Anbieter. Die staatliche Lotto-Tochter Oddset werbe mit Broschüren, Gewinnspielen und auf den Banden in Fußballstadien und verleite damit Fans zu Sportwetten und Glücksspiel. Dadurch nutze der Staat sein Monopol aus. Das ist verfassungswidrig.

Aus diesem Verstoß gegen das Grundgesetz darf man jedoch nicht schließen, dass Karlsruhe das Wettmonopol abschaffen will. Das darf bleiben, so die obersten Bundesrichter, falls sich der Staat auf seine ursprünglichen Ziele bei der Verfügung des Monopols besinnt. Diese beschreibt der Chef der Deutschen Lotto Berlin, Hansjörg Höltkemeier, so: „Wir bedienen den menschlichen Spieltrieb, aber nur, um ihn zu kanalisieren.“ So trage man dem Jugendschutz Rechnung. Man beuge der Suchtgefahr vor und verhindere das „Abrutschen in die Kriminalität“. Nun überarbeitet man bei der Klassenlotterie Werbebroschüren und -kampagnen. Bis zum 31. Dezember 2007 lässt Karlsruhe dem Monopolisten Zeit, sich wieder verfassungskonform zu verhalten. Die Richter betonten aber auch, dass dem Gesetzgeber ein „zweiter Weg“ offen steht – die kontrollierte Öffnung des Marktes für private Anbieter.

Hier haken die Betreiber privater Wettbüros ein: „Das staatliche Wettmonopol ist nicht mit dem Europa-Recht vereinbar“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Karpenstein. Er ist überzeugt: Die Annahme von Wetten ist eine Dienstleistung wie jede andere. Und da innerhalb des vereinten Europas die Grenzen für Unternehmer gefallen sind, dürfen sie in der Union ihr Gewerbe betreiben, wo sie wollen. Urteile in vergleichbaren Fällen hätten den Bund Millionen gekostet: Schadensersatz für Firmen, deren Chancen im Wettbewerb von deutschen Gesetzen beschränkt wurden.

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