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Berlin: Eine Anordnung, die keine war

Ein Häftling flieht aus dem Café Kranzler. Nun werfen Politiker aller Parteien der Justizsenatorin und der Verwaltung Versäumnisse vor

Nach der Flucht eines Schwerverbrechers während eines Ausgangs in Begleitung einer Sozialarbeiterin machen Politiker aller Parteien der Justizverwaltung und der Senatorin Karin Schubert (SPD) Vorwürfe. „Frau Schubert ist nicht in der Lage, die Sicherheit der Berliner im Mindesten zu gewährleisten“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel.

Obwohl Schubert bei einem ähnlichen Fall vor zwei Jahren angekündigt hatte, männliche Gefangene nur noch von männlichem Personal begleiten zu lassen, sei auch in diesem Fall wieder eine Frau zur Überwachung eingesetzt worden. Die Folge: Als Ismail F. im Café Kranzler vorgab, auf Toilette zu wollen, konnte die Bewacherin nicht mitgehen. Ismail F. nützte die Chance und flüchtete – ob durchs Toilettenfenster oder durch einen Notausgang ist noch ungeklärt. Zielfahnder des LKA wurden mit der Fahndung betraut – bis gestern ergebnislos.

„Frau Schubert hat total versagt, weil entweder ihre Dienstanweisung nicht ausgesprochen oder dieser nicht entsprochen wurde“, sagt CDU-Mann Henkel. „Nun muss sich die Senatorin fragen lassen, warum sie ihre Ankündigung nicht umgesetzt hat“, hält der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann der Senatorin vor. „Der Vorfall wirft ein schlechtes Licht auf die Durchsetzungsfähigkeit von Frau Schubert in ihrer Behörde“, ergänzt FDP-Rechtspolitiker Christoph Meyer.

Kritik kam auch von den Regierungsparteien. „Es geht hier um Fragen der Sicherheit, da kann man nicht mit dem Argument der Gleichstellung eine Frau einsetzen, wo ein Mann hätte mitgehen müssen“, sagt Klaus Lederer, Rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei/PDS. Er fordert die Gefängnisverwaltung auf, die von Schubert verkündete Regel, derzufolge Männer Männer beim Ausgang beaufsichtigen, auch in der Praxis umzusetzen. „Wenn die Senatorin etwas anordnet und das wird nicht umgesetzt, dann ist das ein schweres Versäumnis in der Justizvollzugsanstalt“, pflichtet SPD- Rechtspolitiker Frank Zimmermann bei.

Offiziell hat es die von Schubert angekündigte Regel in der Gefängnispraxis allerdings nie gegeben, sagt Juliane Baer-Henney, Sprecherin der Senatorin. Nach Schuberts Ankündigung, Männer nur noch von Männern begleiten zu lassen, habe es Proteste der Frauenvertretung gegeben. „Deswegen wurde das nie offiziell verfügt.“ Im Alltag seien aber Freigänger „bei möglichen Risiken“ immer von Männern begleitet worden. Dies wurde von Häftlingen gestern jedoch bestritten, die Anordnung habe nur etwa ein halbes Jahr gegolten, hieß es.

Am Freitag hatte Ismail F. seinen sechsten begleiteten Ausgang, erstmals war er nur von einer Frau begleitet worden. Die Justizverwaltung ermittelt laut Baer-Henney jetzt disziplinarrechtlich gegen die Bewacherin und die Gefängnisverwaltung, die den Freigang zugelassen hat: „eine deutliche Fehlentscheidung.“ Zudem muss sich die Sozialarbeiterin verantworten, weil sie mit F. nach dem Gespräch mit seinem Anwalt noch im Kranzler einkehrte. Der Resozialisierungsgedanke rechtfertige keinen Ku’damm-Bummel.

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