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Berlin: Eine filzverdächtige Rettungsaktion

Sechs Millionen Mark Lottomittel zugunsten der Erdkunde-Gesellschaft, deren Vorsitzender CDU-Abgeordneter ist Berlin (za).Das Ereignis ist erfreulich, die Umstände geben zu denken.

Sechs Millionen Mark Lottomittel zugunsten der Erdkunde-Gesellschaft, deren Vorsitzender CDU-Abgeordneter ist Berlin (za).Das Ereignis ist erfreulich, die Umstände geben zu denken.Sechs Millionen Mark hat der Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie Berlin der "Gesellschaft für Erdkunde" bewilligt, setzt sich damit aber erneut dem Verdacht des "politischen Filzes" aus.Mit dem Geld soll demnächst eine Stiftung gegründet werden, um die 170 Jahre alte Bibliothek der Erdkundegesellschaft zu retten.Die Bibliothek war akut gefährdet, weil der Senat die öffentlichen Zuschüsse in den Jahren 1995/96 um 100 000 Mark kürzte.Mit Hilfe der Lottogelder werde verhindert, "daß eine der wertvollsten Bibliotheken, die ein Stück Wissenschafts- und Kulturgeschichte Berlins beinhaltet, durch den freien Verkauf aus der Stadt herausgetragen wird", freute sich gestern Dieter Biewald, Vorsitzender der "Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin". Und das ist es, was trotz des schönen Anlasses zu denken gibt: Biewald gehört als CDU-Mitglied seit 24 Jahren dem Abgeordnetenhaus an und war viele Jahre Vorsitzender des parlamentarischen Kulturausschusses und des SFB-Rundfunkrats.Im Lotto-Stiftungsrat wiederum entscheiden vier Christ- und zwei Sozialdemokraten ganz allein über die Verwendung und Verteilung der Lottogelder - drei Senatoren (Elmar Pieroth, Jörg Schönbohm, Christine Bergmann), die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen (Klaus Landowsky, Klaus Böger) und, seit 17 Jahren, der CDU-Bundestagsabgeordnete Dankward Buwitt.Auch CDU-Fraktionschef Klaus Landowksy ist langjähriges Stiftungsrats-Mitglied; wie Biewald kulturpolitisch angagiert und Repräsentant seiner Partei im SFB-Rundfunkrat. Übrigens wurde schon im Januar ein "Notgroschen" für die Bibliothek bereitgestellt, indem die Stiftung "Preußische Seehandlung" elf wertvolle alte Buchbände aufkaufte.Ein spektakulärer Ausnahmefall.Die öffentlich-rechtliche Seehandlungs-Stiftung, 1983 gegründet, ging aus der ehemaligen Preußischen Staatsbank hervor, deren Rechtsnachfolgerin die Berlin Hyp ist.Der Vorstandschef dieser Berliner Bank ist - Klaus Landowsky. Die Erdkunde-Gesellschaft ist kein Einzelfall.Immer wieder werden Institutionen mit Lottogeldern bedacht, deren Vorständler oder einflußreiche Mitglieder mit jenen Regierungsvertretern eng verwoben sind, die in der Lottostiftung über die Mittelvergabe entscheiden.Beispiele aus der vergangenen Jahren: die "Initiative Berlin-USA", die "Drogenhilfe Tannenhof Berlin", die Europäische Akademie, die Karl-Hofer-Gesellschaft oder der "Neue Berliner Kunst-Verein".Rein juristisch ist eine solche Vergabepraxis nicht zu beanstanden.Laut Klassenlotterie-Gesetz dürfen Stiftungsratsmitglieder nur dann nicht an der Abstimmung teilnehmen, "wenn der zu entscheidende Antrag unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Interessen des Mitglieds oder eines Angehörigen berührt oder den Geschäftskreis einer Verwaltung oder ein Unternehmen betrifft, bei der das Mitglied oder der Angehörige beschäftigt oder beteiligt ist".Im Einzelfall dürfte dies kaum zu beweisen sein. Landesrechnungshof-Präsident Horst Grysczyk - dessen Behörde gegenüber der Lottostiftung Prüfungsbefugnisse hat - spricht von einer "nicht optimalen Konstruktion".Die Lottostiftung ermögliche eine schnelle und unbürokratische Förderung, und die Mittelvergaben sei öffentlich nachvollziehbar, doch handele es sich offensichtlich um eine "politisch elitäre Veranstaltung, die gegnerfrei besetzt ist".Das Landesgesetz über die Deutsche Klassenlotterie ließe durchaus zu, daß im Stiftungsrat Abgeordnete der Oppositionsfraktionen vertreten sind.Aber CDU und SPD haben sich dagegen bisher erfolgreich gewehrt.

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