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Eine von hier. Inge Meysel hatte eine Schwäche für ihre Geburtsstadt – und deren Bewohner. Sie seien „aufgeschlossen und für jeden Menschen offen.“

© adolph press

Inge Meysel: Eine Gedenktafel für die Berlinerin der Nation

Inge Meysel war Wahl-Hamburgerin, wurde aber in Neukölln geboren und hat lange hier gelebt. Zu ihrem zehnten Todestag wird sie jetzt an ihrem früheren Wohnhaus in Schöneberg geehrt.

Mit Spreewasser getauft, das wird man nicht los. „Ich bin, Gott sei Dank, Berlinerin“, so betitelte Marlene Dietrich ihre Autobiografie, obwohl sie sich doch in der ganzen Welt herumgetrieben hatte. „Ich bin Berlinerin, durch und durch“, so bekannte ihre Kollegin Inge Meysel Ende 1999 im Gespräch mit dem Tagesspiegel, und da lebte sie schon lange überwiegend in Hamburg, stand zudem kurz davor, ihre Wohnung in Schöneberg aufzugeben, die sie noch immer vier, fünf Tage im Monat nutzte. Aus den Mietwohnungen in der Heylstraße 29 sollten Eigentumswohnungen werden, da machte sie, 89-jährig, nicht mehr mit: „Ich kaufe doch in meinem Alter keine Wohnung mehr.“

An diesem Donnerstag um 14 Uhr wird Inge Meysel genau dort mit einer „Berliner Gedenktafel“ geehrt, an ihrem zehnten Todestag. Kulturstaatssekretär Tim Renner und der Verein Aktives Museum Faschismus und Widerstand haben eingeladen, der Schauspieler und Journalist Peter Bosse sowie die Politologin Angela Marquardt werden die Laudatio halten.

Wenngleich Inge Meysel, spätestens seit ihrer Rolle als Käthe Scholz in der von 1965 bis 1971 ausgestrahlten TV-Serie „Die Unverbesserlichen“, als die „Mutter der Nation“ galt, so war sie doch von Geburt an, und vor allem mit ihrer herzlichen Kratzbürstigkeit, durch und durch Berlinerin. Am 30. Mai 1910 war sie in Neukölln geboren worden, wuchs in Friedrichhain auf, Tochter einer Dänin und eines jüdischen Tabakwarengrossisten. Im Margareten-Oberlyceum in Mitte ging sie zur Schule, posierte bereits mit zehn Jahren für ein Berliner Kaufhaus als Hutmannequin. In Charlottenburg begann sie an der Schauspielschule von Ilka Grüning und Lucie Höflich eine Ausbildung, hatte ihr Debüt 1930 in Zwickau, kehrte aber bald zurück und spielte ab 1932 am Renaissance-Theater, bis sie als „Halbjüdin“ 1933 nach der Machtübernahme durch die Nazis Berufsverbot erhielt.

Erinnerungen an John F. Kennedy

Die Räume in der Heylstraße hatte sie von ihren Eltern übernommen. „Alle meine Erinnerungen hängen noch an dieser Wohnung“, erzählte sie. Ihr Vater hatte sich während der NS-Zeit versteckt. „Dann, 1945, kurz nachdem er sein Versteck verlassen hatte, wurde ihm ein Raum in der Wohnung in Schöneberg zugewiesen.“ Später nutzten die Eltern die gesamten fünfeinhalb Zimmer, und auch nach deren Tod blieben sie mit Inge Meysel als Mieterin in der Familie.

Wenngleich ihr Lebensmittelpunkt später Hamburg wurde, hierhin ist sie doch immer wieder zurückgekehrt, hat hier auch Theater gespielt. Und John F. Kennedy hat sie erlebt, als der 1963 seinen berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“ sprach. „Mit solchen Erinnerungen lebe ich, wenn ich durch Berlin gehe“, erzählte Inge Meysel. „Und manchmal, wenn ich am Rathaus Schöneberg vorbeigehe, dann schaue ich hoch und sage: ,Mein lieber Herr Kennedy, ich lebe immer noch, und du bist schon lange tot.“

Oft sah man sie in der Charlottenburger Grolmannstraße im „Diener“, da konnte es schon mal vorkommen, dass Günter Pfitzmann das Bier zapfte. Und im Kempinski, das war in den Achtzigern, fühlte sie sich von der Zigarre des Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmproduzenten Horst Wendlandt einmal so gestört, dass sie aufsprang und das im Aschenbecher vor sich hin qualmende Ding mit einer Karaffe Wasser löschte.

Werbung für Berlin als Hauptstadt

Hamburg oder Berlin – wohlgefühlt hat sie sich hier wie dort. „Hamburg ist eine wunderbare Stadt mit zurückhaltendem englischen Charakter“, beschrieb sie ihre Zweitheimat. „Die Berliner dagegen sind aufgeschlossen und für jeden Menschen offen.“ Entscheiden mochte sie nicht: „Mir liegt beides nicht und beides doch.“ Aber dass Berlin Hauptstadt werden sollte, dass war für sie nach der Wende völlig klar: „Ich habe immer für Berlin geworben, Berlin immer in Schutz genommen, wenn andere Städte meinten, sie müssten jetzt Hauptstadt sein.“

Schon damit hatte sie sich die Ernst-Reuter-Plakette verdient, die sie 1991 vom damaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen erhielt. Und 1999 war im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt die „Goldene Kamera“ fällig. Nun also eine Gedenktafel in KPM-Porzellan, dort, wo jahrzehntelang eine hölzernes Namensschild zu ihr wies: „I. Meysel“.

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