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Berlin: Eine Niederlage, die ein Sieg sein soll

CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger kämpfte für Tempelhof – und zugleich um seine politische Zukunft. Klaus Wowereit dagegen verbrachte den Sonntag bewusst zurückgezogen. Sein Opernbesuch fiel aus.

Doch, ja, die Vormänner der CDU sind gut drauf am fortgeschrittenen Sonntagabend. Einige von ihnen waren schon kurz nach 18 Uhr in der „Airbase 1“ des Flughafens und tauschten sich aus über Erfahrungen im Wahllokal. Peter Kurth, CDU-Kreischef aus Pankow, Karl-Georg Wellmann, Bundestagsabgeordneter aus Steglitz-Zehlendorf und Michael Braun, Chef der Südwest-CDU konnten kaum jubeln über das Interesse der Berliner an der Abstimmung – aber sie konnten ein paar Vergleiche anstellen, die ihre tendenziell gute Stimmung stabilisierten: Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus habe die Union 2005 rund 294 000 Stimmen geholt, sagt Kurth – jetzt hätten in einer wichtigen Frage vielleicht 600000 Berliner gegen den Senat gestimmt.

So und ähnlich redeten die Strategen der Berliner CDU gegen die Ahnung an, dass es nicht ganz gereicht haben könnte. Und so wollen sie weiter machen. Das zeigte überdeutlich Fraktionschef Friedbert Pflüger, als er kurz vor acht die Bühne in dem Saal mit dem Blick auf das gigantische Flugfeld betrat. Der Sänger Gunter Gabriel, ein Tempelhof-Anhänger, durfte noch zu Ende röhren, dann deutete Pflüger das ernüchternde Ergebnis in einen Sieg um: Er sah „eine deutliche Mehrheit“ für die Offenhaltung Tempelhofs und forderte den Regierenden auf: „Herr Wowereit, nehmen Sie dieses Votum der Berliner ernst.“

Die Tempelhof-Retter jubelten ihm zu – oder vielleicht auch sich selbst, denn Pflüger, der stets Verbindliche, hatte mit warmen Worten ihr Engagement gelobt –, dann hob Gunter Gabriel wieder musikalisch ab. Die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Abstimmung, die der Unionsmann verströmte, dürfte mit ihrer Erfahrung der vergangenen Jahre zu tun haben: als nichts ging, von Kampagnenfähigkeit nichts zu erkennen war und den Strategen die Fähigkeit zu fehlen schien, den Berlinern mit packenden Themen zu kommen. Mario Czaja, der Einzelkämpfer aus Marzahn-Hellersdorf, ließ ein wenig Skepsis erkennen: Die Ost-Berliner hätten sich für Tempelhof nicht wirklich interessiert – und jetzt zeige sich wieder, dass man in Berlin ohne den Osten nicht gewinnen könne. Dass es aber Zeit für einen Strategiewechsel wäre, für ein modernes Thema, für die „moderne Großstadtpartei“, wollte Landeschef Ingo Schmitt nicht gelten lassen: Wenn man es realistisch sehe, sagte er, werde in drei Jahren gewählt; Tempelhof sei eines von vielen Sachthemen – und bei diesem einen seien CDU und Grüne weit voneinander entfernt. Außerdem werde man sehen, „wie Hamburg läuft“. Schließlich gehe es doch vor allem darum, dass die CDU wieder etwas stärker werde. Kurz gesagt – „Jamaika“ interessierte Schmitt an diesem Sonntagabend nicht wirklich. Die wichtigen Leute in der CDU halten ohnehin das Verhältnis zu den Grünen für belastbar. Fraktionschef Pflüger, der die Tempelhof-Kampagne ganz zu seiner Sache gemacht hat, ist gelassen. Mitten im Getöse der Forderungen nach Schließung oder Offenhaltung hätten die drei Oppositionsfraktionen miteinander verabredet, dass sie einen Untersuchungsausschuss zum Spreedreieck beantragen wollen, hält er Jamaika-Skeptikern entgegen. Dass der Rückgriff auf die Luftbrücke und die West-Berliner Gründungsmythen der Tempelhof-Kampagne einen sehr altmodischen Zug verliehen, kümmert Pflüger nicht. Woher sollte er es auch wissen? Es sind erst drei Jahre, in denen sich Pflüger – bei allem Fleiß und allem Interesse an der Stadt – mit den Niederungen der Berliner Politik beschäftigt. Dass „Tempelhof“ eher ein West-Thema war, mit dem das neue Berlin und der von Pflüger gewollten liberalen Großstadt-CDU nicht viel zu tun hatte, schien er nicht zu bemerken. Nun müsse man erstmal „analysieren“, was zum Ausgang des Volksentscheides führte, sagt der Tempelhofer Abgeordnete Nicolas Zimmer am Abend: Ob es das Thema war oder das Wetter.

Während Pflüger den Staatsmann gab, war der Sonntag des Regierenden Bürgermeisters Privatsache: Natürlich sei auch Klaus Wowereit zur Abstimmung gegangen, hieß es in der Senatskanzlei. Aber Zeit und Ort wurden nicht verraten, um jeglichen Medienrummel zu vermeiden.

Fotografiert worden ist er dann aber doch – nämlich auf der Feier der Filmproduzentin Regina Ziegler zu deren 35. Firmenjubiläum. Die Bilder zeigen einen fröhlichen Regierungschef in Begleitung seines Partners Jörn Kubicki; mal mit Alfred Biolek scherzend, mal Regina Ziegler herzend, mit der er seit langem befreundet ist.

Am Abend gab Wowereit dann das „Phantom der Oper“ – der Deutschen, um genau zu sein: Sein avisierter Besuch bei der Premiere von „Jeanne d’Arc – Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna“ fiel aus, die Journalisten warteten vergebens. Auch sonst: Kein Interview, kein Brimborium. Stattdessen einfach königliche Sonntagsruhe.

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