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EICHWALD & Ich FOLGE  8: Eine Rakete im Bett

Aus meinem WG-Leben mit einem Bundestagsabgeordneten.

„Hier, ich hätte tot sein können!“, sagt Eichwald und zeigt mir die ausgebrannte Silvesterrakete neben seinem Bett. „Was schläfst du auch bei dem Wetter mit offenem Fenster“, sage ich. – „Na, weil’s gesund ist.“ – „Offensichtlich.“ Eichwald schaut mich an. „Und jetzt überlege ich halt, ob ich mir ein Wasserbett kaufen soll. Weil ich hab diesmal ja schon Glück gehabt, dass sich hier nichts entzündet hat. Stichwort Feuerball.“ „Ja, Moment mal“, sage ich, „aber beim Wasserbett ist ja auch nur die Matratze aus Wasser, der Rest kann ja trotzdem brennen. Wenn überhaupt, musst du unter so einer silbernen Rettungsdecke schlafen, aus Alufolie.“ „Bist du bescheuert?“, fragt Eichwald. „Was sollen denn dann die Frauen denken?“ – „Welche Frauen?“ – „Andererseits“, sagt er, „ich weiß nicht, ob mich das Schwappen stören würde.“ – „Mit den Frauen?“ – „Nee, generell. Und wenn ich’s jetzt bestelle und dann doch nicht haben will, wo lasse ich dann das Wasser hin?“ – „Gut“, sage ich, „gibt halt Sachen, die bestellt man besser nicht online.“

„Sag mal, und wenn das politisch gemeint war?“, fragt Eichwald fünf Minuten später, als er mit der Rakete vor dem Küchenmülleimer steht. „Was meinst du?“, sage ich leise. „Nordkorea?“ – „Ach, Blödsinn!“ Eichwald geht einen Schritt auf mich zu. „Russland!“, sagt er. „Russland?“, frage ich. „Weil ich mich“, sagt Eichwald, während er vergeblich die Rakete im Mülleimer verstauen will, „als Sportpolitiker homosexuellenfreundlich geäußert habe. Schon zwei Mal!“ – „Mann, Hajo!“, sage ich. „Was ist das denn für ein Wort? Benutzt du das auch öffentlich? Dann wundert mich gar nichts mehr.“ Eichwald hat inzwischen die Rakete wieder aus dem Eimer geholt und sie auf den Küchentisch gelegt. Jetzt holt er das Brotmesser aus der Schublade.

„Oder“, sage ich, „das waren frisch eingewanderte ungarische Zahnärzte, die Dr. Bornemann beiseiteschaffen wollten und sich nur im Stockwerk verzählt haben.“ „Glaube ich nicht“, sagt Eichwald. „Die sind doch alle mathematisch so gut.“ – „Die Ungarn?“ – „Hab ich gelesen. Hier, zum Beispiel John von Neumann. Eigentlich János Lajos Neumann, geboren in Budapest. Kennt man doch. Gefangenendilemma. Spieltheorie.“ – „Was, bitte?“ – „Na, wenn wir beide verhaftet werden, dann muss ich dich ans Messer liefern, weil ... ja, ich weiß die Details nicht mehr. Auf jeden Fall muss ich dich verpfeifen. Das ist das Beste für alle.“ – „Du musst mich verpfeifen?“, frage ich. „Aber ich hab doch gar nichts gemacht!“ – „Ja gut, Stefan“, sagt Eichwald, „aber ich behaupte ja dann das Gegenteil. Und wer ist hier glaubwürdiger, mh?“

Eichwald schaut mich an, dann widmet er sich wieder der Rakete. Er hat den Stiel fast durchgesägt, da hält er inne. „Sag mal“, sagt er, „um noch mal auf die ungarischen Zahnärzte zurückzukommen: Freizügigkeit – findest du nicht auch, das klingt nach offener Hose?“

Stefan Stuckmann

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