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Berlin: „Eine total reale Bedrohung“

Ehemalige Neonazis berichten über ihren gefährlichen Ausstieg aus der Szene

Von Frank Jansen

Sie haben Angst und möchten weder fotografiert noch gefilmt werden. Zwei Männer und eine Frau sind nach Mitte zum Pressegespräch der Aussteiger-Initiative Exit gekommen, um über den Abschied von der rechtsextremen Szene zu berichten. Es gebe eine „total reale Bedrohung“ durch die früheren Kameraden, sagt R., heute ein angehender Ingenieur. Der wuchtige Berliner, immer noch kurzgeschoren, hat sechseinhalb Jahre im Gefängnis verbracht, vor allem wegen Körperverletzung.

Die Zeit bei den Neonazis beschreibt R. in deftigen Worten. „Ich hab’ alles verachtet, was nicht den Vorstellungen der Szene entsprach“, R. streicht sich über den Schädel. Es sei gar nicht nötig gewesen, dass ein Mensch „ganz schwarz war“. Selbst Leute, „die ins Solarium gegangen sind, haben wir verurteilt“. Doch in der Haft sei für ihn „eine Welt zusammengebrochen“, sagt R., erst dann habe er sich vom braunen Milieu gelöst.

Hilfe leistete die in Berlin angesiedelte Initiative „Exit-Deutschland“, die gestern zusammen mit der Amadeu Antonio Stiftung ihre Fünf-Jahres-Bilanz präsentierte. 225 Aussteiger habe man betreut, sagt Exit-Sprecher Bernd Wagner, und nur sechs seien in die Szene zurückgekehrt. Derzeit unterhalte Exit Kontakt zu 48 Personen, davon säßen sieben in Haft. Zu den 225 Aussteigern hätten Rechtsextremisten aus der NPD, den Kameradschaften und der verbotenen Skinhead-Vereinigung „Blood & Honour“ gezählt, so Wagner. Er betonte, Exit hätte mehr machen können – wenn die Förderung weniger knapp gewesen wäre. Außerdem sei unklar, wie es nach 2006 finanziell weitergeht.

Neben einem sächsischen Aussteiger war auch eine Frau aus Norddeutschland gekommen. Die einstige Anführerin zweier Kameradschaften tarnte sich mit Sonnenbrille und berichtete, sie habe in der Szene „mafiaähnliche Strukturen“ erlebt. Die Frau hat es besonders schwer, auszusteigen: Ihr Noch-Ehemann ist weiterhin als Neonazi aktiv.

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