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Berlin: Eine unehrliche Debatte

Die SPD und der Streit um eine Ehrenbürgerschaft für Wolf Biermann

Von Michael Cramer An Wolf Biermann scheiden sich die Geister! Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Berliner SPD ist „nicht ganz so ersichtlich, dass Wolf Biermann der 115. Ehrenbürger von Berlin werden soll“. Die PDS ist strikt dagegen – nicht überraschend für die SED-Nachfolgepartei. Was aber hat die SPD gegen ihn?

Wolf Biermann ist als Kommunist1953 von Hamburg in die DDR übergesiedelt. Da für ihn die Menschenrechte unteilbar sind, ging er bald auf Distanz zum SED-Staat. Seit 1965 durfte er nicht mehr auftreten und publizieren. Nach seinem Auftritt 1976 in Köln wurde er ausgebürgert, was in der DDR zu einer nie dagewesenen Solidarisierung führte, die das Regime schwächte und das Volk stärkte. Das neu gewonnene Selbstvertrauen trug letztlich dazu bei, das Mauerregime zu stürzen.

Allein diese biographischen Daten rechtfertigen aus meiner Sicht die Ehrenbürgerwürde. Die PDS begründet ihre Ablehnung mit Biermanns Position zum Irakkrieg. Als wären Ehrenbürger Menschen, wie sie Bert Brecht so kritisierte: „Was an Dir Berg war, haben sie geschleift und dein Tal schüttete man zu; über Dich führt ein bequemer Weg“. So geglättet sollte kein Ehrenbürger sein! Schauen wir uns einige genauer an:

Willy Brandt, Regierender Bürgermeister, erster sozialdemokratischer Bundeskanzler der Nachkriegszeit und Friedensnobelpreisträger, trägt z.B. die politische Verantwortung für die unsägliche Schnüffelpraxis der Berufsverbote in den 70er Jahren. Trotzdem ist er zu Recht Ehrenbürger von Berlin!

Michail Gorbatschow, sowjetischer Staats- und Parteichef, gerühmt für Glasnost und Perestroika, schickte noch im Januar 1991 sowjetische Truppen ins Baltikum, um die Unabhängigkeitsbestrebungen Estlands, Lettlands und Litauens niederzuschlagen. Trotzdem wurde ihm zu Recht die Ehrenbürgerwürde verliehen. Mit Unterstützung der SPD bekam diese Auszeichnung auch George W. Bush senior, der den Irakkrieg nicht nur gutgeheißen, sondern sogar die Truppen zum ersten Irakkrieg entsendet hatte.

Sogar bei Paul von Hindenburg zeigten die Genossen ihr großes Herz. Er wurde 1933 Ehrenbürger – und blieb es auch nach Kriegsende, weil die SPD den „Helden von Tannenberg“ unterstützte und über seinen Anteil an der Machtergreifung Hitlers hinwegsah.

Wenig rühmlich hat sich die SPD auch im Umgang mit Marlene Dietrich verhalten, die nach dem Krieg in Deutschland lange eine persona non grata blieb, weil sie die Amerikaner im Kampf gegen Hitler-Deutschland unterstützt hatte. Obwohl sie jahrzehntelang mit komfortabler Mehrheit regierte, war die SPD nicht bereit, die Dietrich zur Ehrenbürgerin zu machen. Erst zehn Jahre nach ihrem Tod wurde ihr diese Würde zuteil.

Bei Wolf Biermann könnte die SPD eine ähnliche Blamage vermeiden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit muss nun zeigen, ob er ein Kultursenator oder ein Kulturbanause sein will.

Der Autor ist Grünen-Abgeordneter im Europa-Parlament.

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