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Berlin: Eine weiße Linie kann Leben retten

Zwei Radler starben an einem Tag – was Experten raten, um Straßen sicherer zu machen: Haltemarkierungen vorziehen,Ampelschaltungen ändern und Radwege auf die Fahrbahn legen

Nach dem Tod zweier Radfahrer an einem Tag wird die Sicherheit auf Berlins Straßen neu diskutiert. Rund 65 Prozent der 2003 tödlich verunglückten Menschen waren zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs – dabei liegt ihr Anteil am Straßenverkehr unter 20 Prozent, kritisiert etwa der Verkehrsexperte der Grünen, Michael Cramer. Der ADFC schätzt, dass der tote Winkel die Ursache für 50 Prozent aller schweren und tödlichen Unfälle ist. Wir haben Experten gefragt, wie Radfahrer sicherer durch den Verkehr kommen.

Können vorverlegte Haltelinien für Radfahrer an der Ampel Leben retten?

Da sind sich die Experten einig. Dass Radfahrer ein bis zwei Meter vor den Autos warten sollen, damit sie besser gesehen werden, steht auch im „Zehn-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Rechtsabbiegerunfälle“ von Senat und Polizei. Nach und nach sollen die rund 800 Kilometer Radwege an Ampelkreuzungen umgebaut werden. Eine Statistik zu vorhandenen Haltelinien gibt es nicht. Das Radeln auf den meisten Fahrradwegen ist seit 1998 freigestellt – außer ein blaues Radfahrer-Schild schreibt die Benutzung vor.

Soll es mehr so genannte „Schleusen“ für Radfahrer an Ampeln geben?

Das Bild kennt man aus London: Die Autos müssen vier, fünf Meter vor einer Lichtzeichenanlage stoppen – stattdessen dürfen die Radfahrer vor ihnen bis an die Ampel heranfahren. Linksabbieger auf zwei Rädern können sich so frühzeitig links einordnen. Der Radfahrbeauftragte der Senatsverkehrsverwaltung, ADFC-Vertreter Benno Koch, plädiert dafür, dass das auch in Berlin zur Regel wird. Zumal sich die Radfahrschleuse an der Bergmannstraße/Zossener Straße/Friesenstraße bewährt habe. Peter Herold aus dem Stabsbereich Verkehr des Polizeipräsidenten hat da allerdings Zweifel. Vor allem während Gelbphasen könnte die „Schleuse“ gefährlich werden, wenn sich Radfahrer noch schnell vor anfahrende Autos drängeln.

Sollte es nach bundesdeutschem Vorbild auch an den 1980 Ampeln in Berlin mehr spezielle Rechtsabbieger-Lichtsignale geben? Dann zeigt die Ampel Grün einzig für Autos, und sie können Radlern erst gar nicht in die Quere kommen.

Was auch in Süddeutschland praktiziert wird, ist in Berlin umstritten. Vom leuchtenden Rechtsabbiegepfeil (nicht zu verwechseln mit dem Grünen Pfeil) hält der Experte der Senatsverkehrsverwaltung nichts. Ihn gibt es zwar schon an rund 150 Berliner Ampeln. Doch letztlich, so der Fachmann, räume man dem Autoverkehr dadurch Vorrang ein – während Radfahrer und Fußgänger länger warten müssen. Das entspräche nicht mehr der Berliner Linie.

Warum kann man nicht einfach Autofahrer beim Rechtsabbiegen an der Ampel – wie vor einem Stoppschild – verpflichten, kurz anzuhalten?

Die Verkehrsexperten der Polizei können sich dafür nicht erwärmen, weil so eine Vorschrift den Verkehrsfluss enorm behindern würde. Außerdem könnte Berlin das nicht selbst beschließen; der Bund müsste die Straßenverkehrsordnung ändern.

Kann man Radfahren sicherer machen, wenn man mehr Fahrradwege auf die Straße verlegt?

Darüber herrscht Einverständnis. Knapp 50 Kilometer Radwege befinden sich in Berlin schon auf der Straße – die für Radler sicherste Variante. Und es sollen immer mehr werden. Denn 81 Prozent der schweren und tödlich verlaufenden Verkehrsunfälle mit Radfahrern tragen sich auf jenen Radwegen zu, die auf Gehwegen liegen. Dabei sind nur zehn Prozent aller Radwege in Berlin solche kombinierten Gehweg-/Radwege.

Braucht Berlin mehr Vorrang-Radfahrerampeln?

An 865 der 1980 Ampeln gibt es sie schon. Die Senatsverwaltung will Radler schützen, indem diese früher losfahren dürfen – und so besser sichtbar werden. Doch die Polizei gibt zu bedenken, dass auch Autofahrer immer öfter darauf schielen – und schon Gas geben, wenn die Radler Grün haben. Dabei zeigt ihre Ampel erst Gelb.

Annette Kögel

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