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Berlin: Einen Augenblick versagt

Über zweieinhalb Jahre Haft für den Vater, der sein Baby schüttelte

Das Baby schrie und schrie und hörte einfach nicht auf. Die Mutter war nicht da, der Vater wusste nicht mehr, was er noch tun soll. Da nahm er das sieben Wochen alte Kind an den Hüften und schüttelte es zwei Mal heftig auf und ab – und das Mädchen war still. Dafür ist der 26-jährige Vater des Babys, Matthias P., vom Landgericht jetzt zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Das Kind wird behindert bleiben und ist auf einem Auge erblindet.

Vor Gericht sagte seine Verlobte für ihn aus. Er sei ein liebevoller Vater, kümmere sich um das Kind. Er trage es stundenlang durch die Wohnung, wenn es weine, er mache ihm Tee und streichele es. Auch die Schwiegermutter sagte für den Angeklagten aus. Der Mann ist vorher noch nie strafrechtlich aufgefallen. Dafür scheint die Strafe relativ hart. Denn nur Strafen von bis zu zwei Jahren können laut Gesetz zur Bewährung ausgesetzt werden, Matthias P. muss also ins Gefängnis. Sein Verteidiger Heinz-H. Möller will gegen das Urteil Revision einlegen, weil er überzeugt ist, dass es sich um einen minder schweren Fall handelt.

Das Gericht wertete zugunsten des Angeklagten dessen Verhalten nach der Tat. Matthias P. brachte sein Töchterchen gleich zum Arzt, als er merkte, dass etwas nicht stimmte. Er gestand sofort und zeigte Reue. Außerdem habe er sich in einer „emotionalen Sondersituation“ befunden, so das Gericht – kurz zuvor hatte er sich mit seiner Verlobten gestritten. Insgesamt sah das Gericht die Tat als „Augenblicksversagen“. Man könnte auch sagen, als Vater ist er reichlich damit gestraft, dass er sein eigenes Kind so schwer geschädigt hat. Ob das für die Richter zählte, ist unbekannt.

Allerdings wirkte auch vieles zu Lasten des Angeklagten, besonders die Schwere der Verletzung. Ein Auge blind, das andere sehschwach, eine bleibende Hirnschädigung. Die Staatsanwaltschaft hält außerdem für möglich, dass das Kind lernbehindert bleiben wird, eines seiner Beine verkürzt bleibt und auch der Kopf nicht weiter wächst. Vorher war das Mädchen gesund.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft lautete auf drei Jahre und zehn Monate Haft wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und wegen schwerer Körperverletzung. Das Gericht entschied aber, dass hier keine Misshandlung von Schutzbefohlenen vorlag, denn dafür hätte der Täter das Kind laut Gesetz „quälen“ oder „roh misshandeln“ müssen, und das sahen die Richter nicht so.

Fälle von „Baby-Schütteln“ gibt es immer wieder. Oft sind die Täter völlig normale Eltern, die das Geschrei nicht mehr aushalten. Gerade für ganz kleine Kinder ist das sehr gefährlich; sie können daran sterben. Einen spektakulären Fall gab es 1998 in den USA. Das britische Au-Pair-Mädchen Louise Woodward hatte ein Baby geschüttelt, das Kind starb. Louise Woodward wurde zuerst wegen Mordes angeklagt, dann aber „nur“ der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Sie kam mit 279 Tagen Gefängnis davon. Andere traf es härter: Ein britisches Kindermädchen wurde 1999 in den USA zu 25 Jahren Haft verurteilt, eine Deutsche zu 15 Jahren Haft.

Der jüngste Fall dieser Art spielte im brandenburgischen Senftenberg. Dort schüttelte eine 19-Jährige ihr Baby im vergangenen Sommer zu Tode. Vor gut einer Woche wurde die Frau zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Fatina Keilani

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