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Berlin: „Einschneidend wie der Klimawandel“

Die Überalterung beschleunigt sich weltweit

Was das bestimmende Thema des 21. Jahrhundert wird, das steht für Alexandre Sidorenko außer Frage: die Überalterung der Gesellschaft. „Was da auf uns zukommt, ist in seiner Bedeutung und mit seinen Auswirkungen so einschneidend wie die Globalisierung oder die globalen Erwärmung“, sagt der Doktor der Medizin, der bei den Vereinten Nationen für den Bereich Alter zuständig ist. Vergangene Woche sprach er auf dem 1. Weltkongress von Heimbetreibern in Berlin.

Der Anteil der Alten in den entwickelten Ländern nimmt stetig zu. Ursache dafür ist ein Absinken der Geburtenziffern bei gleichzeitig längeren Lebenszeiten. Dieser Prozess beschleunigt sich. „In Frankreich hat es 125 Jahre gedauert, bis die Zahl der Alten von 7 auf 14 Prozent gestiegen ist – in Japan nur 25 Jahre“, sagt Sidorenko.

Das habe nicht nur Auswirkungen auf die Ökonomie der Länder, weil der Anteil der arbeitenden Bevölkerung permanent sinke, sondern sorge in der Zukunft auch für einen steigenden Bedarf an professioneller Pflege. Durch die sinkenden Geburtenzahlen lösten sich traditionelle Familienmodelle auf, Rückhalt von Angehörigen im Pflegefall falle folglich weg. Während laut UN-Statistik in den Entwicklungsregionen rund sieben Prozent der Senioren alleine leben, sind es in entwickelten Staaten in etwa 25 Prozent. Ähnliches gilt für das Verhältnis der Alten, die mit ihren Kindern oder Enkelkindern zusammen leben. Während das in Entwicklungsregionen auf 75 Prozent der Alten zutrifft, sind es in entwickelten Ländern nur 27 Prozent.

Ein Effekt dieser Mehrbedarfs an Pflege ist, sagt Sidorenko, dass die Versorgung stetig teurer wird. Nach UN-Berechnungen wird sich der Anteil des Bruttoinlandsprodukt, der für Pflege aufgebracht werden muss, in den OECD-Staaten von rund einem Prozent im Jahr 2005 auf annähernd drei Prozent im Jahr 2050 knapp verdreifachen.

Die meisten Länder seien auf diese Veränderung ihrer Bevölkerungsstruktur und den steigenden Pflegebedarf nicht vorbereitet, sagt Sidorenko. Es mangele sowohl an Infrastruktur wie an personellen Kapazitäten. Auch in Deutschland.

Momentan betreffe der Alterswandel hauptsächlich die Industrienationen. „Die Entwicklungsländer wird das Problem dann aber um so härter treffen, weil sie ökonomisch schlechter gestellt sind.“

Primäres Ziel der Arbeitsgruppe von Alexandre Sidorenko ist es derzeit, das Problem auf die Agenda der Industrienationen zu setzen. „Unser Arbeit besteht darin, die Staaten dabei zu unterstützen, Strategien und Richtlinien für den Umgang mit dem demografischen Wandel zu entwickeln“, sagt Sidorenko. mho

Mehr Informationen unter www.un.org/esa/socdev/ageing

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